Neues von der Corona-Front
„Impfstoffe helfen, egal woher“
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„Wir brauchen jeden Impfstoff, denn die Schutzimpfung rettet Leben und Arbeitsplätze“, sagte Orbán und präsentierte ein Zahlenspiel: Ungarn wird bis Ende Mai 3,5 Mio. Menschen mehr impfen können, als ein anderes EU-Land von vergleichbarer Größe, das sich ausschließlich auf Impfstoffe aus dem Westen stützt. Die dritte Welle tobe in jenen Ländern, die ihre Regeln zur Corona-Abwehr laufend ändern, meinte der Ministerpräsident weiter. „Wir haben unsere Schutzmaßnahmen seit November nicht geändert und die Corona-Pandemie in den Griff bekommen.“ Wegen der Mutationen sollten die bestehenden Regeln aber streng und konsequent eingehalten werden.
Die Regierung möchte das Schild „Geschlossen“ so schnell es geht umdrehen, die Wirtschaft ankurbeln, ebenso wie das allumfängliche bürgerliche Leben. „Wir möchten stärker aus dieser Pandemie hervorgehen, als wir an ihrem Anfang waren.“ Dabei helfen Impfstoffe, selbst wenn sie aus China kommen. Bis Ostern werden alle über 60 Jahren, die es wünschen, geimpft sein – es bestehen reale Chancen, dass bis Anfang April 2 Mio. Schutzimpfungen in Ungarn erfolgt sind.
Orbán präsentierte einmal mehr die bekannten Zahlen, mit welchen Maßnahmen seine Regierung die Wirtschaft gerettet habe. In Reaktion auf Fragen der Opposition gab er dann jedoch zwei neue Fakten bekannt: Demnach sei das ungarische BIP 2020 laut Eurostat um 5,2% gesunken (das Statistikamt KSH präsentiert die erste Schätzung offiziell am Dienstagmorgen), die Schulden seien auf 82% am BIP geklettert.
Reaktion der Opposition: Kritiken an Orbán-Regierung
Die Opposition reagierte erwartungsgemäß mit scharfen Kritiken auf die Rede von Ministerpräsident Viktor Orbán am ersten Sitzungstag des Parlaments nach der Winterpause. Als unentschlossen bezeichnete der Jobbik-Vorsitzende Péter Jakab den Ministerpräsidenten, der mit der sog. Nationalen Konsultation nur auf Zeit spiele. Dazu meinte er ungeschminkt: „Wir haben keine Zeit für solchen Blödsinn!“ Nicht Politiker, sondern die Fachleute sollten die Bürger vom Sinn der Schutzimpfung überzeugen. Was Orbán in dieser Frage veranstalte, erinnere an einen afrikanischen Schamanen oder besser gleich an einen chinesischen Pharma-Agenten.
Der DK-Vorsitzende Ferenc Gyurcsány plädierte ebenso dafür, rein aus Vorsicht auf die Zulassung durch die EMA zu warten. „Diese Regierung ist nur auf die Eigenen bedacht“, sagte der frühere Ministerpräsident, der kein anderes Land kenne, das so wenig Geld für Lohnzuschüsse und die Rettung von Arbeitsplätzen bereitgestellt hätte.
Die Angst sei im Corona-Jahr 2020 in das Leben der Menschen eingekehrt, meinte Erzsébet Schmuck (LMP). Der Regierungschef verstehe diese Sorgen und Nöte nicht, denn seine Familie sei so reich, dass ihnen am Monatsende sicher nicht das Geld ausgehe. Die dem Gastgewerbe an Stelle der zugesagten 23 Mrd. Forint tatsächlich ausgezahlten 7 Mrd. Forint seien volkswirtschaftlich lächerlich wenig – für den ungarischen Pavillon zur Weltausstellung in Dubai würden allein z. B. 8,5 Mrd. Forint fließen.
Tímea Szabó (Párbeszéd) sprach von einer peinlichen Leistung der Regierung in der Krise. „Zählt für Sie wirklich jedes einzelne Menschenleben“, fragte sie in Anspielung auf einen Werbespruch des Fidesz, „oder nur das Leben der eigenen Leute?“ Von den 3.600 Mrd. Forint aus dem Fonds zum Schutz der Wirtschaft habe die Regierung 2.500 Mrd. Forint für sich selbst ausgegeben.
Für den MSZP-Vorsitzenden Bertalan Tóth hat der Ministerpräsident das Vertrauen der Bürger verspielt. Die Erklärung der Notstandslage habe Orbán gewiss nicht das Mandat zugestanden, organisierten Diebstahl ins Grundgesetz zu schreiben, Universitäten kaputt zu machen, dem Klub-Radio den Ton abzudrehen sowie oppositionelle Städte aus billiger politischer Rache auszubluten. Der sozialistische Politiker wollte von Orbán wissen, wenn er eine auf Arbeit basierende Gesellschaft anstrebe, welche Arbeit denn Lőrinc Mészáros verrichtet habe, um 18 Mrd. Forint für seine Hotelkette aufzunehmen, während er hunderte Mitarbeiter entlässt?
Viktor Orbán beschuldigte die Opposition in seiner Reaktion der Impffeindlichkeit. „Bei uns in Ungarn zählt jedes Leben, neben den Einheimischen werden wir auch für die hier angesiedelten Ausländer alles tun“, sagte er in der Debatte.
Flugzeug holt Impfstoff aus China
Am Montagmorgen ist die Maschine der ungarischen Regierung zum Flug nach Peking aufgebrochen, um die erste Impfstoffladung aus China abzuholen. Wie der Staatssekretär des Außenministeriums, Tamás Menczer, informierte, wird das Flugzeug mit 550.000 Impfdosen an Bord voraussichtlich noch am Dienstag in Budapest landen. Es handelt sich um den Impfstoff von Sinopharm, der weltweit bereits in 30 Mio. Dosen geimpft wurde, darunter rund 500.000 Serben. Derweil haben die von der DK gestellten Bürgermeister in fünf Budapester Stadtbezirken den für das Gesundheitswesen zuständigen HR-Minister Miklós Kásler in einem Offenen Brief ersucht, ihre Bürger nur mit Impfstoffen zu impfen, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen sind.
Anfang Februar ist die Impfbereitschaft zum ersten Mal seit Wochen nicht weiter gestiegen. Das Statistikamt KSH sieht in seiner wöchentlichen Erhebung zugleich ein leicht erstarkendes Lager der Impfgegner. In der 10. Woche der regelmäßigen Erhebung lehnten 26% die Corona-Schutzimpfung ab, die höchste Ablehnung maßen die Statistiker in der Weihnachtswoche mit 38%. Die Impfkampagne nimmt an Fahrt auf: Die operative Einsatzleitung rechnet in dieser Woche mit knapp 90.000 Erst- und 70.000 Zweitimpfungen. Darunter befinden sich 20.000 Gam-COVID-Vac-Dosen aus russischer Produktion, die von den ungarischen Gesundheitsbehörden eingehend untersucht wurden.
Neumann Labs hat gestützt auf PCR-Testergebnisse am Montag bestätigt, dass derzeit bereits die Hälfte der aufgedeckten Neuinfektionen die britische SARS-CoV-2-Mutante zeigt. Die in Südafrika und Brasilien aufgetretenen Mutationen wurden derweil noch nicht nachgewiesen.
Die Zahl der Corona-Infektionen nimmt in mehreren Landesteilen wieder kräftig an Fahrt auf: Die 7-Tage-Inzidenz ist im Komitat Komárom-Esztergom binnen kürzester Zeit in die Nähe von 200 Fällen auf 100.000 Einwohner hochgeschossen, aber auch in Somogy und Tolna im Landessüden sowie in Nógrád im Norden wird wieder eine Inzidenz um 150 gemessen. Relativ wenig neue Fälle gibt es derweil im äußersten Westen sowie in der Großen Tiefebene. Die Rate der positiven Tests steht nach einem Monat wieder bei 10%. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie in Ungarn vor einem Jahr wurden 390.000 Infektionsfälle und 13.750 Todesfälle registriert. Leider hat sich der seit Mitte Dezember beobachtete Abwärtstrend in der zweiten Welle vorerst erschöpft, in den Krankenhäusern werden wieder knapp 4.000 Corona-Patienten betreut, darunter 300 an Beatmungsgeräten.
Egal? Idiotisch!