Neues von der Corona-Front
Über anderthalb Millionen Geimpfte
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Bis Sonntag waren es insgesamt mehr als 18.250. (In Ungarn wird jeder in die Statistik aufgenommen, der irgendwann einen positiven Test hatte/ Anm.d.Red.) Täglich werden 7.-8.000 Neuinfektionen registriert, unter denen ca. 250 klinische Fälle sind.
Die Zahl der in Kliniken behandelten Corona-Patienten liegt mit gut 10.500 bereits um ein Drittel über den Rekordzahlen vom Herbst. Die Zahl der auf Beatmungsgeräte angewiesenen Intensivpatienten hat sich auf 1.300 geradezu verdoppelt. Obgleich die Behörden mehr Tests als je zuvor vornehmen, fällt weiterhin jeder vierte Test positiv aus.
Impfgegner auf dem Rückzug
Am Wochenende wurde der Meilenstein von 1,5 Mio. Geimpften „gefeiert“ – im März haben sich die täglichen Impfzahlen um 50.000 stabilisiert. Bei der Erstimpfung hat Ungarn einen Anteil von 16% an der Bevölkerung erreicht, bei der Zweitimpfung von 5%.
Erstmals ist eine absolute Mehrheit der Ungarn bereit, sich impfen zu lassen. Das Statistikamt KSH maß in der 15. Woche der seit Dezember regelmäßigen Befragung 52%, die bereits geimpft sind oder dies vorhaben. Weitere 21% sind noch unsicher, gehen aber als wahrscheinlich davon aus. Der Anteil der Impfgegner ist derweil auf einen Tiefstand von 23% gesunken – im Dezember lehnten noch bis zu 38% der Befragten die Schutzimpfung ab.
In der 23. Stunde der Pandemie
Im Widerspruch zum Zweckoptimismus des Ministerpräsidenten teilte der Direktor des Győrer Komitatskrankenhauses „Aladár Petz“ mit, seit Mittwoch müsse seine Klinik mehr Corona-Patienten betreuen, als HR-Kapazitäten vorhanden sind. Győr hatte bislang noch Patienten aus dem Raum Mosonmagyaróvár aufgenommen, wo die Covid-Abteilung längst hoffnungslos überfüllt war.
Prof. László Jávor bat um Entlastung durch Kliniken in Zala, weil die dritte Welle dort bisher deutlich schwächer ausfällt. Der Klinikdirektor sagte zudem, die Mathematiker hätten noch mindestens zwei Wochen lang steigende Patientenzahlen vorausgesagt. Verschiedene Schätzungen gehen von 14.-15.000 Corona-Patienten in der Spitze aus. Aus anderen Krankenhäusern war zu vernehmen, dass 5-6 Corona-Patienten im Intensivbereich auf eine Fachkraft anfallen, während zwei Patienten normal wären.
Den Ernst der Lage belegt eine Stellungnahme der Ärztekammer MOK: „In der schwierigsten Phase, der 23. Stunde der Corona-Pandemie, ersuchen wir die Politiker dringend, damit aufzuhören, falsche Illusionen zu wecken bzw. Grabenkämpfe zu führen, die Bevölkerung in die Irre zu leiten und zu verunsichern.“
Die MOK ruft Politik und Medien auf, zusammenzustehen und Korrektheit zu zeigen. Die riesige Zahl an Erkrankungen zeige Versorgungsengpässe auf, aus denen niemand politisches Kapital schlagen sollte. In den Medien sieht die Ärztekammer eine unerklärliche Diskrepanz zwischen den Meldungen der regierungskritischen Organe und den Meldungen der Staatsmedien.
DK: Am Rand einer nationalen Tragödie
Die verfehlte Corona-Abwehr hat das Land an den Rand einer nationalen Tragödie gebracht. Diese harsche Kritik an der Regierung formulierte die oppositionelle DK in Reaktion auf das Orbán-Interview vom Freitag im Kossuth-Radio. Der Ministerpräsident solle „aufhören mit den offenkundigen Lügen, der Erfolgspropaganda und dem Geschwafel“ und endlich der Realität ins Auge sehen. Mittlerweile sterben nirgendwo auf der Welt so viele Menschen wie in Ungarn (anteilig zur Bevölkerungszahl) an und mit Covid-19.
Noch im Herbst deklarierte Orbán, „wir werden alle heilen“, bis heute sind 18.000 Ungarn in der Pandemie verstorben. „Allein in den 23 Minuten des Radio-Interviews vom Freitag, die sich anhörten, als wäre alles in Ordnung, steckten sich 171 Ungarn mit dem Virus an und starben drei Ungarn an dessen Folgen“, erklärte die Partei von Ex-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, für die Orbán „die Verbindung zur Realität komplett und endgültig verloren“ hat.
Nationale Konsultation: Für Öffnung in mehreren Stufen
Insgesamt 528.000 Ungarn beantworteten den Fragebogen der Nationalen Konsultation zu Details der Öffnung. Nur 12% erwarteten nach den Worten von Csaba Dömötör, Staatssekretär im Ministerpräsidentenamt, eine Komplettöffnung nach dem Ende der Corona-Pandemie in einem einzigen Schritt. Demgegenüber hätten 88% für eine Öffnung in mehreren Stufen plädiert.
Zwei Drittel würden Personen mit „Schutzstatus“ (Impfung oder Nachweis von Antikörpern nach überstandener Infektion) eine Befreiung von bestimmten Beschränkungen geben. Drei Viertel würden als ersten Schritt der Lockerungen die nächtliche Ausgangssperre aufheben. Sogar 87% würden Restaurants und Hotels mit an erster Stelle öffnen.
Nur eine knappe Mehrheit von 58% würde den Besuch von Konzerten oder Sportveranstaltungen an das Privileg des Schutzstatus binden. Bis zum Ende der Corona-Pandemie sollten nach Meinung von 79% der Teilnehmer an der Konsultation nur Ausländer mit Impfnachweis einreisen dürfen.