Corona
Ministerpräsident Viktor Orbán (3.v.l.): „Der Impfstoff bedeutet die Lösung der Corona-Pandemie, und dieser befindet sich in Reichweite.“ Foto: Amt des Ministerpräsidenten/ Zoltán Fischer

Neues von der Corona-Front

Orbán: „Lösung in Reichweite“

„Der Impfstoff ist die Lösung.“ An diesem Postulat hält Ministerpräsident Viktor Orbán fest, nachdem er sich Samstagabend mit Wissenschaftlern konsultierte.

„Der Impfstoff bedeutet die Lösung der Corona-Pandemie, und dieser befindet sich in Reichweite“, teilte Orbán in einem Facebook-Video mit, nachdem er sich im Karmeliterkloster auf der Burg mit Wissenschaftlern konsultierte, konkret mit dem Rektor der Semmelweis-Universität, Béla Merkely (Foto, rechts), dessen Dekan Miklós Szócska (2.v.r.) und dem Seuchenmathematiker von der Universität Szeged, Gergely Röst (3.v.r.).

Europäische, chinesische und russische Corona-Impfstoffe für Ungarn

Es gebe gute Chancen dafür, dass europäische, chinesische und russische Impfstoffe rechtzeitig nach Ungarn gelangen, wiederholte Orbán. Nach entsprechenden Kontrollen könnten  jene geimpft werden, die das aus freien Stücken wollen.

Die Übergangsphase bis dahin verlange jedoch weiterhin größte Disziplin. Da Ungarn wie gehabt Österreich als „sein Labor“ betrachte, habe Orbán am Samstag telefonisch Bundeskanzler Sebastian Kurz um dessen Erfahrungen gebeten.

„Die Lage ist ernst. Das Coronavirus hat die Familien erreicht, inzwischen kennt jeder Fälle unter Bekannten oder Verwandten. Nur 700 Orte im Lande haben noch keine Infektionen.“

 „Es geht hier nicht um Gesundheit oder Wirtschaft – in diese Falle tappe ich nicht. Die Gesundheit geht vor.“

Nicht-lebensnotwendige Operationen werden aufgeschoben

Ab morgen werden sämtliche OP aufgeschoben, die nicht lebensnotwendig sind. Der für das Gesundheitswesen zuständige HR-Minister Miklós Kásler erteilte die entsprechende Anweisung noch vor dem Wochenende. Damit soll die Versorgung einer rasant wachsenden Zahl an Corona-Patienten sichergestellt werden.

Mit Ausnahme von Sonderkliniken müssen zudem alle Einrichtungen des Gesundheitswesens an der Behandlung von Corona-Patienten mitwirken (bislang waren dafür allein Krankenhäuser zuständig, die der Minister als zentrale Anlaufstellen definiert hatte). In den Krankenhäusern muss nahezu die Hälfte der Bettenplätze zur spezifischen Corona-Versorgung eingesetzt werden.

„Die Infektionszahlen verdoppeln sich aller 11-12 Tage“, sagte Kásler am Freitag in einem Interview. Das Virus breite sich schneller aus, als im Frühjahr. Damals konnte die Regierung 3-4 Wochen vorausschauen, heute sind es nur noch 2,5 Wochen. Umgekehrt schlagen sich die Effekte strengerer Abwehrmaßnahmen erst in 4-6 Wochen nieder.

MedicalOnline: Gesundheitsversorgung ist an ihre Grenzen gestoßen

Das Fachportal MedicalOnline berichtete am Freitag von einer Fachkonferenz für Intensivmedizin, auf der die Ärzte schwerwiegende Aussagen trafen. So werde das Gesundheitswesen nie mehr so aussehen, wie vor Wuhan.

Die Gesundheitsversorgung sei mittlerweile an ihre Grenzen gestoßen, die Ärztekammer MOK habe den überlasteten Medizinern einen Ethischen Leitfaden an die Hand gegeben, um ihnen sog. Triage-Entscheidungen zu erleichtern.

Wegen der personellen Engpässe vertrage das System höchstens 2.000 Intensivfälle. Obendrein würden die Intensivstationen im Lande nicht vernünftig koordiniert, weshalb es örtlich schon heute Engpässe gebe.

Einigermaßen im Widerspruch hierzu sprach der Ministerpräsident in seinem üblichen Freitag-Interview für das Kossuth-Radio von 2.200 Intensivbettenplätzen aktuell, die bis zum 10. Dezember auf 4.480 Intensivbetten aufgestockt werden müssten. Das bedeute insgesamt 32.000 Bettenplätze (für Corona-Patienten) und „das können wir halten“, sagte Orbán dem Staatssender.

„Im September protzte Orbán noch, wir erwarten die zweite Welle bis an die Zähne bewaffnet, und wer erkranke, der werde geheilt. Heute gibt er zu, dass das Gesundheitswesen bis zum 10. Dezember an seine Grenzen stoßen wird. Aber so wahr uns Gott helfe, werden wir das Virus mit dem Impfstoff besiegen, sagt er. Wir brauchen keine Regierung, die auf Glück und Rückenwind wartet.“

Positive Corona-Tests nicht mehr unter 20%

Bis Sonntag infizierten sich offiziell 110.000 Ungarn mit dem neuartigen Coronavirus, von denen 2.438 an und mit Covid-19 starben. 5.800 Patienten befinden sich in Krankenhäusern, davon 420 an Beatmungsgeräten.

Mittlerweile gibt es täglich 4.500-5.000 positive Tests und 80-100 Tote, allein in den letzten zwei Wochen haben sich rund 50.000 Menschen infiziert. Seit Ende Oktober sinkt die Rate positiver Tests nicht mehr unter 20%.

Die 7-Tage-Inzidenz ist in Győr-Moson-Sopron bei 420 (Fällen je 100.000 Einwohnern) angelangt, gefolgt von Nógrád (370) und Budapest (knapp 350). In weiteren 7 Komitaten rangiert dieser Wert über 300, nur noch in 3 Komitaten unter 200.

Lungenfibrose im klinischen Test

Im November beginnen an der Semmelweis-Universität (SE) und mehreren für Corona-Patienten bereitgehaltenen Kliniken Untersuchungen zur Behandlung der Lungenfibrose. SE-Rektor Béla Merkely erinnerte daran, dass Infektionen mit SARS-CoV-2 sowohl bestehende Vorerkrankungen verstärken als auch einen Zytokinsturm auslösen können.

Diese überzogene Immunreaktion des Organismus schwächt die Lunge; die klinische Studie mit 100 mittelschweren Fällen soll nun Aufschlüsse bringen, wie effizient eine Fluvoxamin-Therapie gegen Verhärtungen des Bindegewebes in der Lunge wirken kann.

Tierversuche einer SE-Aktionsgruppe hätten gute Ergebnisse gezeigt, namentlich die Phase der akuten Atemprobleme verkürzt. Das Forschungsprogramm der SE mit der Akademie und der Firma SigmaDrugs steht unter Leitung von Andrea Fekete.

Laut Innovationsministerium wurden bereits mehr als 100 Corona-Patienten geheilt, bei denen die Plasmatherapie zur Anwendung gelangte. Die Forschungsgruppe OrthoSera sucht weitere Spender, die eine Infektion erfolgreich überstanden haben. Das Präparat kann nämlich nur aus dem Blut geheilter Covid-19-Patienten hergestellt werden.

Corona-Notstandslage: Keine Nachwahlen und Referenden mehr

Seit dem vorigen Mittwoch ist zum zweiten Mal eine durch die Corona-Pandemie motivierte Notstandslage in Kraft. Per Regierungsverordnung gilt für gewählte Kommunalverwaltungen gewissermaßen ein Auflösungsverbot.

Nachwahlen dürfen für die Zeitdauer der Notstandslage nicht angesetzt, bereits angesetzte Wahlen nicht durchgeführt werden. Genauso können derzeit keine Volksbefragungen auf den Weg gebracht werden.

Die Regierungsverordnung trat am Freitag in Kraft und besitzt eine Gültigkeit von zwei Wochen. Der Stellvertretende Ministerpräsident Zsolt Semjén hat bereits für diesen Dienstag eine außerordentliche Sitzung des Parlaments einberufen, das eine Verlängerung der Notstandslage um 90 Tage beschließen soll.

Das bedeutet nicht, dass die Regierung – wie die Opposition fälschlicherweise im Frühjahr in die Welt posaunte – „durchregieren“ kann, denn das Parlament arbeitet auch weiterhin. Auf kommunaler Ebene wird es Bürgermeistern hingegen möglich, Befugnisse der Bürgerschaft an sich zu reißen.

Gesundheitsindustrie: Auf den eigenen Beinen stehen

Die Regierung forciert die Förderung der Gesundheitsindustrie. Finanzminister Mihály Varga gab am Freitag weitere Projekte bekannt, die im Rahmen des mit 50 Mrd. Forint ausgestatteten Programms staatliche Zuschüsse erhalten.

Das Foto zeigt Finanzminister Mihály Varga (M.) im Kreis der Geschäftsführer von drei Firmen der Gesundheitsindustrie, die weitere Investitionen vornehmen. Foto: MTI/ Noémi Bruzák

Die Corona-Krise zeige mit aller Deutlichkeit, dass die Herstellung medizinischer Geräte und bestimmter Medikamente strategische Bedeutung besitzt. Deshalb möchte Ungarn möglichst breit aufgestellt und unabhängig von Importen sein. Bei einer durchschnittlichen Förderintensität von ca. 50% erhalten die Firmen Meditop, Viresol und Pharmaherb insgesamt rund 2,4 Mrd. Forint für ihre Projekte, mit denen sie grundlegend Kapazitäten ausweiten.

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