Corona
Der Budapester Vörösmarty tér gestern Abend, kurz nach Beginn der Ausgangssperre. Foto: MTI/ Zoltán Máthé

BZ-Kommentar zur Corona-Politik der ungarischen Regierung

Warten auf das Licht aus dem Westen

Am Mittwoch hat die ungarische Regierung im Kampf gegen das Coronavirus wieder einen Gang hochgeschaltet. Mit einem Maßnahmenkatalog aus 17 Punkten will sie der Ausbreitung des Virus seine Dynamik nehmen. Damit soll sowohl ein absehbarer Zusammenbruch des Gesundheitswesens verhindert werden, als auch ein Lockdown, wie wir ihn im März hatten.

Sollte sich das Virus auch von den neuerlichen Corona-Maßnahmen nicht sonderlich beeindruckt zeigen, dann dürfte die Regierung mit ihrem Latein weitgehend am Ende sein. Zwischen den 17 Punkten und dem ultimativen letzten Schritt, dem allseits befürchteten Lockdown, sind dann nämlich kaum noch Zwischenschritte denkbar. Und die Impfstoffe, die – aus welcher Bezugsquelle auch immer – angeblich eine grundlegende Entspannung der Lage verheißen, sind auch noch in weiter Ferne.

Vorbild Österreich?

Wenn die Theorie von der ein- bis zweiwöchigen West-Ost-Phasenverzögerung zutrifft, dann müsste sich der Silberstreifen am Horizont in Österreich zeigen, quasi ex occidente lux. Bloß da tut sich im Moment nicht viel. So wie Ungarn befindet sich derzeit auch sein westlicher Nachbar auf der Jagd nach immer neuen Corona-Rekorden. Fatal wird es für Ungarn, wenn demnächst aus Österreich keine Anzeichen von Entspannung kommen, sondern sich das Land gezwungen sehen würde, einen Lockdown zu erwägen.

An diesem Punkt dürfte es für Ungarn mit dem Nachahmen vorbei sein. Für einen abermaligen Lockdown beziehungsweise für die Behandlung seiner wirtschaftlichen Kollateralschäden fehlen dem Land einfach die finanziellen Mittel. Man darf gespannt sein, wie es Ungarn gelingen wird, noch weiter gegenüber dem Virus hochzuschalten, ohne zum Mittel des Lockdown zu greifen.

Ungarische Regierung besitzt großen Vertrauensbonus

Immerhin besitzt Ungarn im Gegensatz zu vielen westlichen Ländern noch einen großen Vorteil. Über alle Parteigrenzen hinweg genießt die Corona-Politik der Regierung das Vertrauen der überwiegenden Mehrheit der Staatsbürger. Zustände wie in Deutschland oder Spanien mit immer energischeren Protesten einer zunehmend Corona-müden Bevölkerung sind in Ungarn derzeit noch undenkbar. Bisher werden in Ungarn sämtliche Corona-Maßnahmen weitgehend diszipliniert befolgt und nicht in Frage gestellt.

Der Kommentar erschien am Freitag den 13. November in der Druckausgabe des BZ Magazins. Am Sonnabendnachmittag hat die österreichische Regierung einen zweiten Lockdown bekanntgegeben. Er beginnt am Dienstag und soll vorerst bis zum 7. Dezember in Kraft bleiben.

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