Stadtplanung für Budapest
Orbán stellt die Schicksalsfrage
Im Gespräch mit der führenden Sportzeitung des Landes, „Nemzeti Sport“, ging es naturgemäß um sportliche Themen und den Fußball, die große Leidenschaft des Ministerpräsidenten. Dann aber brachte Viktor Orbán die Stadtplanung und die Perspektiven der Hauptstadt ins Spiel, indem er auf die enormen Entwicklungsunterschiede zwischen Budapest und Provinz verwies. Während die durchschnittliche Wirtschaftsleistung pro Kopf der Bevölkerung in der Hauptstadt Ungarns 160% des EU-Standards erreicht, sind es in den ärmsten Regionen des Landes nicht mehr als 50%.
Alle Ungarn mitreißen
Woraus der Ministerpräsident die Schlussfolgerung ableitete, alle zur Verfügung stehenden Ressourcen müssten in die Provinz gelenkt werden. „In Budapest wird der Staat Großprojekte zur Stadtentwicklung nur dann fördern können, wenn die Hauptstadt ein Konzept vorlegt, das alle Ungarn mitreißen kann“, warnte Orbán mit Hinweis auf den Umstand, alle großen Bauvorhaben seit 2010 in der Hauptstadt seien von staatlicher Seite angeschoben (und finanziert) worden. „Unsere Projekte haben Budapest zurückgeholt auf die Weltkarte prosperierender Metropolen. Das geschah auch immer wieder bei Gegenwind, denken wir nur an die Planung der Leichtathletik-WM“, erinnerte der Ministerpräsident an die Konflikte seiner nationalkonservativen Regierung mit der linksliberalen Stadtführung, die seit 2019 im Rathaus der Hauptstadt das Sagen hat. Um dann die Katze aus dem Sack zu lassen. „Wir wollen Budapest die Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele ja nicht einreden, dieser Gedanke muss den Menschen der Stadt schon selbst reifen. Aber wir denken, das Schicksal ist es den Magyaren schuldig, dass auch sie einmal die Olympischen Spiele ausrichten dürfen.“
NOlimpia 2017 – „Es tut bis heute weh“
Bekanntlich hatte die Orbán-Regierung die Bewerbung für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 im Februar 2017 zurückgezogen, weil damals der Konsens in der Gesellschaft fehlte. „Es tut bis heute weh zu wissen, dass wir gute Organisatoren wären und es doch nicht wagen.“ Allerdings müsse sich hinter dem Projekt Olympia die ganze Nation aufreihen. Dazu merkte Orbán an: „Leider gibt es in jeder Nation Menschen, die sind wie das in unserer Nationalhymne besungene Unglück. Solche Leute wird es natürlich immer geben. Das größere Problem bestand darin, dass sich Ungarn nicht ausreichend immun gegen diese Leute zeigte.“ Er selbst habe nicht den offenen Konflikt gewagt, weil er nicht die breite Mehrheit sah, die den Augenblick für gekommen hielt.
Ungarn sollten große Träume wagen
Heute zeichne sich ein anderes Bild, denn nachdem Ungarn jede Menge Weltwettkämpfe ausrichtete, sind praktisch alle großen Sportanlagen gegeben. Die Budapester sollten sich verinnerlichen, dass für den nächsten Entwicklungssprung ihrer Stadt Olympische Spiele vonnöten sind. Für dieses eine Anliegen könnte sich eine ganze Nation begeistern, andernfalls hätte die Hauptstadt kein Vorrecht auf Entwicklungsgelder, die in der „Provinz“ viel nötiger gebraucht werden.
Die Debatte um die Stadtplanung von Budapest entbrannte zuletzt neu, als der für Bau und Verkehr zuständige Minister János Lázár die Idee von einem „Mini-Maxi-Dubai“ einwarf. Das ist ein Verweis auf mögliche arabische Investoren, die einen ganzen Stadtteil unweit vom Heldenplatz aus dem Boden stampfen könnten. Der Ministerpräsident meinte dazu, Ungarn sollte wenn schon, dann große Träume wagen und an deren Verwirklichung gehen.
Zu den Aussichten für Olympische Spiele äußerte sich IOC-Mitglied Balázs Fürjes im BZ-Magazin!
Es würde mich ja mal interessieren wie die Ausrichtung der Olympischer Spiele den krassen Unterschied zwischen Budapest und der “Provinz” beseitigen soll. Für Olympia ist eine Unmenge an Geld notwendig. Geld das die Provinz nötiger hätte wie Orban selbst sagt.
Sollte diese Entscheidung nicht von den Bürgern und dem Bürgermeister von Budapest getroffen werden?
Vielleicht möchte ja Herr Orban auf deren Kosten sein Privatvergnügen und die Freude am Prestige ermöglichen.
Das haben Sie falsch verstanden. Mit der Ausrichtung wird es keinen Abbau der Unterschiede geben, ganz im Gegenteil. Orbán deutet umgekehrt an, dass Budapest bestenfalls dann noch auf einen Entwicklungssprung rechnen darf, wenn es eine Sache gibt, für die ganz Ungarn geschlossen einsteht (die also ein Opfer von der “Provinz” verlangt). Und eben deshalb sei dies keine Entscheidung allein der Budapester, sondern eine Angelegenheit von nationalem Rang.
Das habe ich schon verstanden. Aber gerade deshalb ist es den “Provinzen” gegenüber noch unfairer. Das Geld was man in die Olympischen Spiele stecken muß, kann man dann nicht den Provinzen zugute kommen lassen. Was nützt es einem Land wenn die Hauptstadt glänzt, der Rest des Landes aber dafür nicht gwfördert werden kann.
So ist es. Aber gerade deshalb formuliert der Ministerpräsident des Landes die Botschaft an die Bürger des Landes, während Sie ihm vorwerfen, er würde sich in Angelegenheiten einer Stadt einmischen.
Noch vergessen zu erwähnen. Herr Orban, als Lenker des ungarischen Staates, mischt sich ziemlich oft in die Belange einer ungarischen Stadt ein, die ja schließlich Bürgermeister und Bürgerschaft besitzt.
Wenn man wirklich an Olympische Spiele denkt, ist das doch eher Staatsangelegenheit als Stadtangelegenheit.
Ich habe dabei z.B. an Leipzig gedacht. Da erwägt der Bürgermeister das sich Leipzig für die Olympischen Spiele bewirbt.
Die Bürger und der Stadtrat wurden dazu befragt. Der Staat hat damit nichts zu tun. Ist das vielleicht in Ungarn anders? Dürfen die Städte ohne den Staat nichts entscheiden?
Natürlich “dürfen” die Städte entscheiden: Wenn Leipzig meint, ein Olympia-Projekt ohne Bundesmittel angehen zu können, nur zu. Budapest kann das aber ganz sicher nicht, OB Karácsony spricht ja auch immer wieder vom Größenwahn des nationalkonservativen Lagers.