Járókelő
Járókelő mit Freiwilligen. Foto: jarokelo.hu

Bürgerbeteiligungsplattform Járókelő

Melden und Probleme lösen

Das Schlagloch vor der Haustür, der lose Gullydeckel, illegal abgelegter Müll – solche Ärgernisse sind wohl vielen von uns schon begegnet. Unternehmen kann man als Otto Normalbürger jedoch meist nur wenig. Bereits die Suche nach der zuständigen Behörde gestaltet sich oft schwierig. Die Plattform Járókelő (dt.: Passant) macht es nicht nur den Bewohnern der ungarischen Hauptstadt einfacher, auf Probleme im öffentlichen Raum hinzuweisen und so an deren Beseitigung mitzuarbeiten.

Bereits seit 2012 können ungarische Bürger mithilfe der Onlineplattform Járókelő Probleme im öffentlichen Raum melden. Was das genau bedeutet, zeigt ein kurzer Blick auf die Webseite von Járókelő: Mit nur ein paar Klicks kann man dort nach der Anmeldung ganz einfach Schlaglöcher, Graffiti und Co. dokumentieren. Ab hier beginnt der eigentliche Járókelő-Zauber.

Basierend auf slowakischem Vorbild

Máté Lukács ist schon seit 2013 Teil des Teams, erst als Freiwilliger, seit Frühjahr 2018 jedoch als hauptberuflicher Mitarbeiter. Zu seinen Kernaufgaben gehört neben der Koordinierung der Ehrenamtlichen vor allem der Kontakt zu Kommunalverwaltungen und Stadtwerken.

Máté Lukács: „Wir bekommen gelegentlich auch fremdsprachige Meldungen.” Foto: jarokelo.hu

Kende Fónai sitzt einmal die Woche für Járókelő hinterm Rechner, und das schon seit Mai 2017. „Aber meine ersten Meldungen habe ich bereits 2016 gemacht”, erinnert er sich. Der Mittwoch ist sein fester Tag, an dem er Meldungen von Bürgern weiterleitet, umleitet oder aber gegebene Antworten und Ergebnisse ins System einpflegt.

Zsuzsa Molnár ist erst seit relativ kurzer Zeit dabei, sie zeichnet für Kommunikation und Marketing verantwortlich. Was alle drei verbindet, ist die tiefe Überzeugung, dass lokale Probleme am besten auf lokaler Ebene gelöst werden können und dass Járókelő dafür die beste Oberfläche ist.

Járókelő basiert auf der slowakischen Bürgerbeteiligungsplattform „Brief an den Bürgermeister”. 2012 brachte Marietta Lé, die sich heute unter Oberbürgermeister Gergely Karácsony mit dem Thema Stadtentwicklung beschäftigt, die Idee nach Budapest.

Die Aufgabe der Webseite sieht Máté Lukács klar umrissen: „Wir leiten Beschwerden der Bürger an die zuständigen Stellen weiter.” Von dort kommt dann hoffentlich die Antwort, dass man sich des Problems annimmt, oder eine Begründung, warum dem nicht so ist.

Járókelő macht den gesamten Vorgang öffentlich und einsehbar. Es wird angezeigt, welche Antwort eingegangen ist, wo man noch auf Antwort wartet oder wo bereits an der Lösung gearbeitet wird. Ein Ampelsystem macht die Verfolgung der Meldungen für Benutzer noch einfacher. Außerdem kann man jederzeit einen Kommentar oder weitere Informationen hinzufügen.

72.000 gelöste Meldungen

„Insgesamt haben wir so bereits mehr als 72.000 Fälle bearbeitet”, erzählt Lukács.

Diese Form der Bürgerpartizipation kann dank ihrer Transparenz Kommunen unter Zugzwang setzen: „Sagen wir, da ist ein ausgetrockneter Baum, der schon gefährlich schräg steht und den bereits jemand gemeldet hat, dann kann ich als Nutzer beispielsweise dazuschreiben, dass ich das auch melden wollte und wie gut es ist, dass sich jemand der Sache annimmt. Oder ich kann eine Rückmeldung darüber geben, dass das Problem vielleicht sogar schon gelöst wurde.”

„Ich muss entscheiden, ob eine Meldung abgeschlossen ist, oder ob es weiterer Schritte bedarf.” Foto: jarokelo.hu

Máté Lukács erklärt weiterhin, dass eine Meldung maximal ein Jahr aktiv bleibt. In dieser Zeit kann sie in eine von drei Kategorien – „auf Antwort wartend”, „auf Lösung wartend” und „gelöst” – fallen. Passiert innerhalb eines Jahres kein nennenswerter Fortschritt, wird die Meldung als „nicht gelöst” klassifiziert.

„Klar, gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung müssen Aufträge zur Problembehebung oft ausgeschrieben werden, es müssen Angebote eingeholt werden, und so weiter. Da kann man nicht einfach schnell in den nächsten Supermarkt laufen und einen neuen Mülleimer kaufen und anbringen. Aber ich denke, ein Jahr sollte selbst unter diesen Umständen genügen, um auf Probleme zu reagieren”, findet Lukács

Járókelő erreicht täglich eine Flut an Meldungen. Deren Weiterleitung und Nachverfolgung wäre ohne engagierte Ehrenamtliche wie Kende Fónai schlicht nicht zu bewältigen.

Im Dschungel der Zuständigkeiten

„Jeder Wochentag hat mittlerweile seine fest etablierte kleine Crew. Mittwochs sind wir zu viert”, erklärt der seit 2017 ehrenamtlich arbeitende Fónai. „Am Mittwochnachmittag setze ich mich an meinen Laptop, logge mich in die Admin-Oberfläche ein und sehe dann die neuen Meldungen durch, was an offiziellen Antworten eingegangen ist und wo bei bereits aktiven Fällen kommentiert wurde. Das besprechen wir dann schnell mit den Kollegen und legen fest, wer welche Kategorie übernimmt.”

Eingegangene Antworten müssen den aktiven Fällen zugeordnet werden, erklärt Fónai und fährt fort: „Ich muss dann entscheiden, ob damit eine Meldung abgeschlossen ist oder ob es weiterer Schritte bedarf, beispielsweise weil eine andere Stelle zuständig ist.” Bei neuen Meldungen hingegen ist es wichtig, zu überprüfen, ob es sich überhaupt um ein Járókelő-Problem handelt: „Was beispielsweise mit den Spielgeräten auf dem Hof eines Kindergartens ist, ist kein Járókelő-Problem, auch nicht, wenn ein Auto wieder irgendwo falsch geparkt hat. Ganz wichtig ist auch, dass wir keine Fälle annehmen, in denen Menschen Obdachlose melden wollen.” Der Grund hierfür ist laut Fónai ganz einfach: „Wenn es nur ums Anschwärzen geht, dann ist kein konstruktiver Dialog mehr möglich, aber genau den wollen wir.”

Fónai sortiert auch Fälle aus, die bereits in der jüngeren Vergangenheit gemeldet wurden. „Es lohnt sich, einen Blick auf unsere interaktive Karte zu werfen, ob das Problem, das ich melden will, vielleicht schon bekannt ist”, weist er mit Blick auf Erstnutzer hin. Dort kann nicht nur anhand der Adresse, sondern auch anhand des Problembereiches gesucht werden, „beispielsweise danach, ob die Stadtwerke betroffen sein könnten oder ähnliches.” Ist dies alles überprüft, wird die neue Meldung nur noch schnell auf sprachliche Mängel und Rechtschreibfehler hin durchgesehen, und dann wird sie an die entsprechende Stelle weitergeschickt. Hier liegt auch die eigentliche Herausforderung und gleichzeitig die Stärke von Járókelő: Wer für welche Belange zuständig ist, ist bei Járókelő in einer großen, umfassenden Tabelle gespeichert. Und diese wächst stetig.

Neben Budapest in 24 weiteren Städten

Máté Lukács erinnert sich: „Seit 2012 sammeln wir die Erreichbarkeiten von Versorgern, zuständigen Ämtern, Behörden und Kommunen. Jahre später fingen wir auch damit an, persönlich mit diesen Institutionen Kontakt aufzunehmen. Einerseits wollten wir nach unzähligen gelösten Fällen den E-Mail-Adressen endlich ein Gesicht zuordnen können, und andererseits wollten wir verstehen, warum manche Sachen in einer für uns unlogischen Weise angegangen werden.” Der Dialog brachte den gewünschten Erfolg. Nicht nur wuchs das Verständnis auf beiden Seiten, sondern es eröffneten sich auch neue Wege: „Momentan gibt es Járókelő außer in Budapest noch in 24 weiteren Städten, einige davon haben wir persönlich angeschrieben.”

Viele Kommunen haben den Wert der Oberfläche erkannt und bauen darauf, hier zu zeigen, dass sie vertrauenswürdig sind und verantwortungsvoll mit den Steuergeldern umgehen.

Zsuzsa Molnár: „Neben Stadtwerken können es auch Firmen aus der freien Wirtschaft sein, die wir wegen einer Meldung kontaktieren.“ Foto: jarokelo.hu

Doch es sind bei Weitem nicht nur Kommunen, mit denen Járókelő in Kontakt steht. Zsuzsa Molnár erklärt: „Neben Stadtwerken können es auch Firmen aus der freien Wirtschaft sein, die wir wegen einer Meldung kontaktieren und die für die Lösung zuständig sind. Die Kommunen machen eigentlich nur einen kleinen Teil der möglichen Stellen aus.”

100 Meter Straße – fünf zuständige Stellen

Das Beste an Járókelő ist, dass es den Nutzern die Meldung so einfach macht, ist sich Kende Fónai sicher. „Als normaler Bürger interessiert es mich einfach nicht, wer wofür zuständig ist. Nehmen wir nur einen normalen Abschnitt einer Budapester Straße, da können schnell bis zu fünf zuständige Stellen zusammenkommen.”

Kein Wunder also, dass Otto Normalbürger kaum Zeit und Lust hat, sich hier durchzuwühlen und eventuell etliche Mal danebenzuliegen, bis er endlich die zuständige Stelle gefunden hat. Zumal sich die Zuständigkeit je nach Problem ändert. Für die Straßenreinigung ist eventuell jemand anderes zuständig als für das Beheben von Schlaglöchern. Die Arbeit, dies herauszufinden, nehmen den Nutzern der Plattform nun die engagierten Ehrenamtlichen von Járókelő ab. „Ich glaube, es ist wirklich eine riesengroße Vereinfachung, dass man einfach nur Bilder macht, den Ort auf einer digitalen Karte kennzeichnet und das Problem kurz beschreibt”, sagt Fónai.

Járókelő
So einfach können wahrgenommene Missstände gemeldet werden.

Momentan gibt es die Seite nur auf Ungarisch, „aber wir bekommen gelegentlich auch fremdsprachige Meldungen”, berichtet Máté Lukács. Der Wert der Seite ist für viele Bürger nicht zu unterschätzen, und so kann sich Járókelő durch private Spenden finanzieren. Derzeit sammelt die Plattform noch Geld für den Rest des Jahres. Mitmachen ist die Devise bei Járókelő, und zwar auf allen Ebenen.

Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie auf www.jarokelo.hu.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel