Ohne die Kopflampen geht in der Höhle gar nichts. (Foto: Caving under Budapest)

Höhlenklettern in Budapest

Im Reich der Fledermäuse

Mehr als zweihundert Höhlen befinden sich unter den Budaer Bergen. Die Pálvölgyer Höhle ist eine von ihnen. Sie ist mit 30 Kilometern Länge und 104 Metern Tiefe sogar das längste Höhlensystem Ungarns. Erkunden kann man ihre besondere Welt auf einer geführten Höhlentour. Die Budapester Zeitung war bei einem dieser unterirdischen Abenteuer dabei.

Der Eingang zur Pálvölgyer Höhle befindet sich im Nordwesten des II. Budapester Bezirks an der Szépvölgyi út. Hier bereitet Höhlenführerin Éva zehn erwartungsvolle Besucher – unter ihnen fast ausschließlich sportbegeisterte Touristen aus Asien – auf den Abstieg in die Unterwelt vor. Sie schließt eine eiserne Tür auf und nacheinander klettert die kleine Gruppe, jeder in einem einfarbigen Overall und ausgestattet mit einem Helm, eine Eisenleiter hinab, die mehrere Meter tiefer auf einem dunklen Felsboden endet.

Ausflug unter Tage

Hier ist es merklich kühler, denn in der Höhle herrschen konstant 11 Grad. Die Luft ist feucht und riecht nach Lehm. Die Tourteilnehmer schalten ihre Kopflampen ein, ihr Schein reicht aus, um zumindest einen kleinen Teil des Steinzimmers zu beleuchten. Jenseits dieser Wände erstreckt sich die Pálvölgyer Höhle mit ihren Tunneln und Hohlräumen über 30 Kilometer. Weite Abschnitte können auf unterschiedlichsten Routen auch von Besuchern ohne Klettererfahrung erkundet werden – allerdings nur unter Anleitung.

Ein Anbieter solcher geführter Höhlentouren ist „Caving under Budapest“. Neben Höhlenspaziergängen auf ausgebauten Wegen bietet das Unternehmen auch bewegungsintensive Abenteuerklettertouren an. Dabei wird innerhalb von zweieinhalb bis drei Stunden rund ein Kilometer des verzweigten Höhlensystems erkundet. Das Fortkommen bei diesen Ausflügen in die Unterwelt erfordert neben dem Klettern, auch das Rutschen sowie Kriechen durch enge Tunnel. Eine Aktivität, die zwar für Anfänger geeignet ist, aber doch eine gewisse körperliche Fitness erfordert.

Für Naturinteressierte gibt es zudem eine Geologie-Tour, die sich mit Kristallen und unterirdischen Wasserquellen befasst, von denen es auch hier viele zu sehen gibt. „Caving under Budapest“ organisiert außerdem Kindergeburtstage in den unterirdischen Gängen.

Zurück in die Vergangenheit

„Da vorne ist ein ziemlich enger Gang. Wenn ihr euch duckt, kommt ihr in den nächsten Bereich. Wir nennen ihn die Bar, weil der Fels wie ein Tresen aussieht. Sie hat heute aber leider geschlossen“, scherzt Höhlenführerin Éva. In einer Reihe folgen ihr die Besucher den Gang entlang bis zur „Bar“. Die Deckenhöhe ist sehr niedrig. Die Felsformation gleicht einer hohen Liegefläche und teilt den Raum noch dazu in zwei Ebenen. „Normalerweise leben hier hunderte Fledermäuse. Man sieht ihre Spuren an den Wänden. Wenn es zu laut wird, verschwinden sie aber in tiefere Kammern“, erzählt Éva.

Das Klettern in den engen Zwischenräumen der Höhle erfordert mitunter viel Geschick. (Foto: Caving under Budapest)

Sie weist die Gruppe auf Fossilien an der Decke und den Wänden hin. Es handelt sich um die Überreste von Muscheln, Korallen und Seeigeln. „Der Stein hier ist 40 Millionen Jahre alt’’, erklärt sie. Es handelt sich um Kalkstein, der durch Sedimentablagerungen eines tropischen Meeres entstand, welches das Karpatenbecken noch vor rund 40 Millionen Jahren bedeckte. Die Pálvölgyer Höhle selbst entstand vor rund zwei Millionen Jahren durch eine Hebung des Geländes sowie durch Erosion. Bis heute ist sie auch für Forscher besonders interessant, die nicht nur ihre Entstehungsgeschichte untersuchen, sondern auch die hier lebende Tier- und Pflanzenwelt.

Akustik unter Tage

„Der nächste Abschnitt wird etwas schwieriger. Mit dem Kopf voran müsst ihr euch auf den Bauch legen und durch den Tunnel robben’’, instruiert Éva ihre Gruppe. Mit einem zum Teil etwas beklemmenden Gefühl kriechen die Teilnehmer durch einen extrem engen Tunnel. Sich aufrichten, ist nicht möglich, es bleibt nur der Weg nach vorn. Die Knie und Ellenbogen scheuern auf dem harten Grund – nichts für Zartbesaitete. Nach ein paar Metern weitet sich der Tunnel vor den Augen der Höhlenabenteurer zu einem hallenartigen Bereich.

„Das hier nennen wir den Theatersaal“, kommentiert Éva. Die Decke ist hoch, das Echo der Touristen hallt immer wieder, bis es in der Ferne leiser wird und verklingt. „Die Akustik ist so gut, dass wir Höhlenkletterer zu Weihnachten und Silvester hier sogar Konzerte veranstalten. Natürlich ohne Klavier’’, scherzt Eva. Sie schaltet ihre Kopflampe aus und bittet alle, es ihr gleich zu tun. „Lasst uns ein Experiment wagen.“ Ringsum erlöschen nacheinander alle Lichter. Es herrschen absolute Dunkelheit und Stille. Jegliche Umweltgeräusche werden von dicken Gesteinsschichten abgeschirmt. Es ist so leise, dass das eigene Blinzeln – sonst kaum wahrnehmbar – das lauteste Geräusch ist. Ein fast schon befremdliches Erlebnis.

Nach einiger Zeit schalten alle ihre Lampen wieder an und es geht weiter. „Die nächste Etappe rutschen wir. Ihr müsst euch hinlegen, die Beine nach links und die Arme hochnehmen.“ Éva zeigt auf ein Loch, das bis dahin niemand wahrgenommen hat. Einige Teilnehmer müssen lange nach dem richtigen Winkel suchen, um durch diese natürlich entstandene Rutsche zu passen. Die Köpfe verschwinden im Felsen, weiter unten im Abgrund tauchen dafür die Füße wieder auf.

(Foto: Caving under Budapest)

Entdeckung und Vermessung der Pálvölgyer Höhle

Da man sich auf den weit verzweigten Pfaden schnell verirren kann, markieren Eisenringe in der Höhle den Weg. Wer zum ersten Mal alleine klettert, kann ein Seil mitnehmen und an den Ringen befestigen, um den Rückweg zu finden.

Entdeckt wurde die Pálvölgyer Höhle schon 1904 beim Bau eines Steinbruchs. Später wurde sie teilweise mit Licht ausgestattet und aufgrund ihrer Stabilität während der beiden Weltkriege auch als Luftschutzbunker genutzt. Bis in die 1940er-Jahre war allerdings nur ein sehr kleiner Teil des unterirdischen Höhlensystems bekannt. Erst später entfernte man schwerere Felsbrocken und legte damit den Großteil der Wege frei. Mit Laser-Entfernungsmessern konnte man schließlich die Maße der Höhle bestimmen und einen groben Plan ihrer Gänge und Hohlräume erstellen.

Auf alles vorbereitet

Doch auch heute ist die Erkundung wahrscheinlich noch nicht vollständig abgeschlossen. Zuletzt entdeckte man 2011 einen Übergang zu einer weiteren Nachbarhöhle. Auch Höhlenführerin Éva begeistert die Idee, Höhlensysteme zu erkunden und vielleicht sogar auf neue Wege zu stoßen, auf denen noch nie jemand unterwegs war. Seit zehn Jahren leite sie bereits Höhlentouren, seit eineinhalb Jahren als Tourguide für „Caving under Budapest“.

Genau wie bei anderen Extremsportarten musste sie für das Höhlenklettern Kurse absolvieren, bevor sie ein Zertifikat als Gruppenleiterin erhielt. Wenn sie mit Besuchern in die Höhle geht, trägt sie immer einen Lageplan sowie Seile, Karabinerhaken und Taschenlampen bei sich. Falls ein Teilnehmer in Schwierigkeiten geraten würde, könnte sie in Sekundenschnelle Felsen hinauf- oder hinunterklettern, um zu helfen. Etwas Ernsthaftes sei aber zum Glück noch nie passiert.

Nach mehreren Stunden in der Höhle steigt Eva mit ihrer Gruppe wieder die Treppen zur Außenwelt hinauf. An der Oberfläche ist es bereits dunkel geworden. Alle sind lehmbeschmiert und trotz der kühlen Luft komplett durchgeschwitzt. „Ihr habt überlebt“, entlässt Eva die Freizeitabenteurer mit einem letzten Scherz.

Caving under Budapest
Budapest, II. Bezirk, Szépvölgyi út 162
Tourpreise: zwischen 4.900 und 10.000 Forint
Weitere Informationen und Tickets unter www.caving.hu

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