Die realistische Nachbildung dieser alten Straße lässt die Besucher in eine völlig andere Zeit abtauchen. (Foto: MKVM)

Ungarisches Handels- und Tourismusmuseum

Eine Reise durch die Geschichte von Fremdenverkehr und Handel

Neben bekannten Attraktionen wie dem Nationalmuseum oder dem Museum der Schönen Künste gibt es in Budapest auch eine Vielzahl von kleineren Nischenmuseen. Das Ungarische Handels- und Tourismusmuseum ist eins davon. Auch wenn es anfangs sehr überschaubar wirkt, so hat es den Besuchern durchaus viel zu bieten und besticht dabei durch ein weltweit einzigartiges Profil. Museumsdirektor Imre Kiss zeigte der Budapester Zeitung das Museum von seiner ganz persönlichen Seite.

Zwischen den hohen Häusern in Óbuda wirkt das Ungarische Handels- und Tourismusmuseum eher unscheinbar. Doch die Fassade des vermeintlich kleinen Hauses mit seinen weißen Fensterläden und der schweren dunkelbraunen Holztür trügt. Insgesamt hat das Museum eine Größe von 2.500 Quadratmetern. Davon seien knapp 1.200 Quadratmeter für die Ausstellungen reserviert, erklärt Imre Kiss, der bereits seit 15 Jahren Direktor des Museums ist.

Doch nicht nur die unerwartete Größe des Museums beeindruckt: Zwar gibt es auch andere Museen, die sich um das Thema „Handel“ drehen, wie beispielsweise das „Muzeum obchodu“ in Bratislava, und auch verschiedene Tourismusmuseen. Das Ungarische Handels- und Tourismusmuseum sei mit seinem Doppelprofil jedoch weltweit einzigartig, erklärt der Museumsdirektor. Schon Ende des 19. Jahrhunderts kam die Idee für die Gründung des Museums auf. Dieses sollte sich zunächst eigentlich mit dem Thema Gastronomie beschäftigen. Jedoch erfolgte die tatsächliche Gründung des heutzutage touristisch- und handelsorientierten Museums erst über ein halbes Jahrhundert später – und zwar im Jahr 1966. Dabei wurden anfangs nur gastronomische Exponate ausgestellt, die dann nachträglich um Objekte aus dem Sektor Handel ergänzt wurden.

Wie in einer alten Einkaufsstraße

Das Museum beherbergt zwei permanente Ausstellungen. Die erste zeigt die Entwicklung des ungarischen Handels über die letzten zwei Jahrhunderte hinweg. Dabei werden die Besucher unter anderem durch einen Raum geleitet, der einer alten Straße nachempfunden ist. Eine Litfaßsäule zeigt Plakate, zum Teil mit Datierungen aus den 1920er Jahren. Daneben lehnt ein altes, schwarzes Fahrrad an der Wand, das von einer herabhängenden Straßenlaterne beleuchtet wird. Zur Rechten der Säule befinden sich die Schaufenster einer Drogerie und eines Basars. Auch ein Supermarkt wurde geschichtsgetreu nachgebaut. Zu einem großen Teil wird die Handelsthematik in Bezug zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzt, als ein Großteil des Handels verstaatlicht war.

Die Außenfassade lässt eher auf ein kleines Museum schließen. (Foto: MKVM)

Doch nicht nur die vergangenen Tage spielen in der Handelsausstellung eine Rolle. Momentan gibt es hier auch eine temporäre Ausstellung zu Einkaufszentren.

Die ungarische Gastfreundschaft unter der Lupe

Im Rahmen der Tourismusausstellung wird wiederum die Gastfreundschaft der Ungarn dargestellt. Zu sehen ist unter anderem eine nachgebaute Rezeption eines Hotels samt passendem Hotelzimmer, das unter anderem mit einem weißen Bett ausgestattet ist, auf dem sich Bilder von Engeln in goldenen Rahmen befinden. Abgestimmt auf dieses Design sind in dem Zimmer auch ein Tisch, ein Nachtisch und ein Sessel vorhanden.

Wie für die ungarische Hauptstadt üblich werden auch Heilbäder in der Tourismusausstellung thematisiert. „Ungarn ist sehr bekannt für seine Thermalbäder. Und Budapest kann sogar die Bäder-Hauptstadt der Welt genannt werden“, so Kiss.

Auch eine Wohnung, die gemäß der Übergangszeit vom 19. in das 20. Jahrhundert eingerichtet wurde, kann im Museum betrachtet werden. Angefangen vom Esszimmer, in dem der gedeckte Tisch gezeigt wird, bis hin zu Badezimmer und Küche. In der nachgebauten Wohnung erfahren die Besucher nicht nur, welche Tischmanieren unabdingbar waren, sie bekommen auch eine Ofen-Herd-Kombination gezeigt. So wurde eine Seite des Ofens klassisch mit Holz angezündet, während die andere Seite bereits mit Gas funktionierte.

Wer in der Speisekammer der nachgebildeten Wohnung vermeint, das Fleisch zu riechen, das von der Decke hängt, der liegt nicht so ganz fehl in dieser Annahme. „Hier ist zwar nicht alles echt, aber der Kopf und das Bein entstammen einem richtigen Schwein“, bestätigt Kiss.

So haben Familien in der Übergangszeit vom 19. zum 20. Jahrhundert zusammen gespeist. (Foto: MKVM)

Es gibt viel zu entdecken

Diese Liebe zum Detail findet sich in vielen Ecken des Museums wieder. Angefangen von Gewürzsäckchen, die an der Wand hängen und vom Besucher erfühlt beziehungsweise erschnuppert werden können, bis hin zu einer Vitrine, die von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Museums aus alten Koffern angefertigt wurde.

Interaktive Spiele wie das Anziehen einer feinen Dame oder das richtige Platzieren von Besteck und Geschirr locken vor allem die kleineren Besucher. Ausländische Gäste können sich darüber freuen, dass in den permanenten Ausstellungen englischsprachige Erläuterungen mit allen wichtigen Informationen zu den jeweiligen Räumen vorhanden sind.

In der nachgebauten Wohnung erfährt man beispielsweise, dass die Wohnungen in Ungarn bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur in Einzelfällen ein richtiges Bad mit funktionierender Toilettenspülung besaßen. Auch das tägliche Baden sei früher kein Standard gewesen. „Am Wochenende haben wir das Wasser in einem Topf erwärmt und so einmal pro Woche gebadet“, entsinnt sich Kiss, der selbst über 60 ist.

Mit Herzblut dabei

Zu manchen Ausstellungsstücken hat der Museumsdirektor einen persönlichen Bezug. Eines der Exponate sei die Ledertasche seines Vaters, die dieser früher zur Arbeit mitgenommen hatte. „Anfang der 60er Jahre durfte ich mir diese Tasche manchmal ausleihen und damit zur Schule gehen. Eine echte Ledertasche. Das war viel angesehener als heutzutage irgendein Markenrucksack!“, erinnert sich der Museumsdirektor.

Dass er sein ganzes Herzblut in das Museum steckt, wird bei dem Rundgang mit ihm sehr deutlich. Kiss spricht stets mit vollem Enthusiasmus von den Ausstellungsstücken. Zudem unterbricht er die Führung hin und wieder kurzfristig, um andere Besucher zu begrüßen oder ihnen Ausstellungsstücke zu erläutern. Die Interaktion mit den Besuchern und den Mitarbeitern würde er an seinem Beruf sehr schätzen, erklärt der Museumsdirektor lächelnd. Auf seine jetzige Position sei er damals, mit 47 Jahren, eher zufällig gekommen: „Ich habe die Zeitung geöffnet und diese Anzeige gesehen. Da wusste ich, dass ich das unbedingt machen möchte!“.

Diese Ofenkonstellation konnte sowohl mit Holz als auch mit Gas angeheizt werden. (Foto: MKVM)

Herausforderungen im Museumsalltag

Heutzutage sei es jedoch nicht einfach, ein Museum zu leiten. Es handele sich hierbei um ein permanentes „Change Management“, so Kiss. Ungefähr 30.000 Besucher tauchen jedes Jahr bei ihm in die Welt von Handel und Tourismus ein. Im Sommer kommen im Durchschnitt jedoch deutlich weniger Gäste. Um attraktiv zu bleiben, sei es wichtig, auch Zusatzaktivitäten wie beispielsweise Weinverkostungen und Theateraufführungen anzubieten. Zudem bietet das Museum Raum für Geburtstagsfeiern und Hochzeiten.

Auch finanzielle Probleme gehören zum Museumsalltag dazu. „Wir haben nur 16 festangestellte Mitarbeiter. Aber zum Glück arbeiten hier auch viele freiwillige Helfer. Ohne diese würde das Ganze nicht funktionieren“, erzählt Kiss.

Während seiner Zeit als Direktor ist das Museum zweimal umgezogen. Bis 2005 sei es im Burgviertel ansässig gewesen, dann im fünften Bezirk untergekommen, bevor es schließlich seinen jetzigen Platz am Korona tér in Óbuda gefunden habe. Mit rund 500.000 Ausstellungsstücken umzuziehen, sei nicht einfach gewesen.

Ungarisches Museum für Handel und Tourismus
Budapest, III. Bezirk, Korona tér 1
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Eintritt: 1.000 Forint / ermäßigt 500 Forint
Weitere Informationen finden Sie auf http://mkvm.hu

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