Wiederaufbaufonds
Vor dem Gipfel kamen in Brüssel wie schon gewohnt die Ministerpräsidenten der Visegrád-Staaten (V4) (v.l.) Viktor Orbán, Andrej Babis (Tschechien), Mateusz Morawiecki (Polen) und Igor Matovic (Slowakei), zusammen. (Foto: Pressestelle des Ministerpräsidenten/ Vivien Cher Benko)

EU-Sondergipfel

Riskantes Ausstiegsangebot bei Wiederaufbaufonds

Ungarn ist bereit, aus dem Wiederaufbaufonds der EU auszusteigen, um eine Kopplung an die Rechtsstaats-Debatte zu verhindern. Mit diesem Vorschlag im Gepäck reiste Ministerpräsident Viktor Orbán am Donnerstag zum zweitägigen Sondergipfel nach Brüssel.

„Wenn die Debatte über die Verknüpfung der Rechtsstaatlichkeit mit den Fördermitteln der Gemeinschaft den Start für den Fonds Next Generation-­EU verzögern sollte, sollte dieses Programm besser nicht auf EU-Ebene laufen“, erklärte Orbán der amtlichen Nachrichtenagentur MTI vor seinem Abflug nach Brüssel. Auf der Regierungspressekonferenz wenige Stunden später räumte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás ein, dass der Vorschlag eine knallharte Botschaft enthält und schwerwiegende finanzielle Konsequenzen für Ungarn haben kann.

Orbán hatte seine Aussage sogleich präzisiert, wonach sich die Diskussion gar nicht mehr um die Verknüpfung der oben genannten Kriterien drehe, sondern einzig noch darum, wie streng Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit finanziell zu ahnden seien. Seine Regierung stehe jedoch auf dem Standpunkt, dass die Corona-Krise jetzt angegangen werden muss, das Geld für den Wiederaufbaufonds also schnellstmöglich bereitgestellt werden müsse. Eine Verzögerung liege in Wahrheit einzig im Interesse der Nordstaaten.

Ungarn würde Ausstieg aus Wiederaufbaufonds finanziell schaden

Experten verweisen darauf, dass die Orbán-­Regierung mit ihrem Kompromissvorschlag den Ausstieg aus dem mit 750 Mrd. Euro geschnürten Paket des Wiederaufbaufonds riskiert, wodurch Ungarn automatisch 6 Mrd. Euro an Zuwendungen und weitere 10 Mrd. Euro als potenzielle Kredite entgehen würden. (Andererseits würde das Land aber auch an den Einzahlungen nicht beteiligt.)

In Vorbereitung des Gipfels waren Ungarn und Polen bei der Verhandlung des aufgeweichten Vorschlags der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in die Defensive geraten. Genauso wenig konnten sich allerdings die „sparsamen Fünf“ durchsetzen, denen der Orbán-Vorschlag scheinbar entgegenkommt.

Ungarns Vorstoß wäre eine Geste in Richtung der südlichen Mitgliedstaaten, die erstrangige Nutznießer des Wiederaufbaufonds sein sollen. Ob Orbán im Gegenzug auf deren Solidarität hoffen kann, um das Rechtsstaatlichkeitsverfahren nach Artikel 7 und die ständigen Angriffe der Linksliberalen gegen Ungarn zu beenden, erscheint jedoch zweifelhaft.

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