Ungarn droht Abstieg in die zweite Klasse

Das Innenministerium stellte klar, man gebe keine Informationen über Ungarn mit doppelter Staatsbürgerschaft heraus. Regierungsnahe Medien schreiben derweil von einer „Hexenjagd“.

Mit Wirkung vom 1. August wird es für Ungarn deutlich schwerer, an ein Visum zur Einreise in die USA zu gelangen. Das US-Außenministerium erklärte dazu, zwischen 2011 und 2020 seien nicht wenige Verbrecher an ungarische Reisepässe gelangt. Die US-Behörden hätten Budapest wiederholt vergeblich aufgefordert, den Bedingungen des sog. Visa Waver Program (VWP) gerecht zu werden. Mit der Einführung des biometrischen Reisepasses 2020 wären die Kontrollen der Personenidentität wie zuvor nicht mehr nötig, für Inhaber älterer Pässe aber hätten die ungarischen Behörden diese Kontrollen zu lax behandelt. Der ungarische gehöre zu jenen Reisepässen, die weltweit in den meisten Ländern anerkannt werden. Das habe die Aufmerksamkeit von Verbrechern wachgerufen, die offenbar ohne gründliche Durchleuchtung an die begehrten Reisepapiere gelangten. Der US-Botschafter in Budapest, David Pressman, wurde genauer, als er von „mehreren hunderttausend“ Pässen sprach, die im Rahmen des Programms der Orbán-Regierung für eine vereinfachte Einbürgerung von Ungarn aus dem Karpatenbecken ohne tiefere Kontrolle ausgestellt wurden.

Keine sensiblen Daten an US-Behörden

Das Innenministerium betonte, es gehe um die Sicherheit der Auslandsungarn. Die USA hätten die Daten jener Auslandsungarn (aus dem Karpatenbecken) angefordert, die neben der Staatsbürgerschaft ihres heutigen Staates auch die ungarische Staatsbürgerschaft annahmen. Dieses Angebot richtete die Orbán-Regierung nach 2010 ein, um den stärkeren Zusammenhalt der Ungarn im Karpatenbecken auch symbolisch zu demonstrieren.

Die US-Botschaft in Budapest gab nun bekannt, die Gültigkeit einer erfolgreichen Anmeldung im sog. ESTA (Electronic System for Travel Authorization) werde auf ein Jahr halbiert und gelte nur noch für jeweils eine Einreise in die Staaten. Damit schränken die USA die quasi Visafreiheit für geschäftliche oder touristische Kurzaufenthalte ungarischer Bürger radikal ein, im Vergleich zu den Bürgern der anderen 39 Länder, die dem VWP unterliegen.

Rachefeldzug der Linken

Das regierungsnahe Zentrum für Grundrechte warf der Regierung von US-Präsident Joe Biden vor, eine „Hexenjagd“ zu veranstalten. Biden sei nicht bereit und imstande, die illegale Einwanderung an der Südgrenze der Vereinigten Staaten zu stoppen, gleichzeitig stelle er aber die Visafreiheit für ungarische Bürger in Frage. Der Rachefeldzug der von Linken regierten USA richte sich gegen eine konservative Regierung in Ungarn, die nicht bereit war, die Daten von Auslandsungarn herauszurücken, die über eine doppelte Staatsbürgerschaft verfügen.

„Die Argumentation hinkt, denn Ungarn stellen nirgendwo auf der Welt ein Sicherheitsrisiko dar“, schrieb dazu die Denkfabrik. „Ungarn ist ein tausendjähriger Staat auf dem Gebiet des Karpatenbeckens. Ungarn weiß sehr wohl, wem es die Möglichkeit eines erleichterten Erwerbs der Staatsbürgerschaft einräumte: jenen Bürgern, die durch das Friedensdiktat von Trianon aus ihrer ursprünglichen Heimat fortgerissen wurden.“ Das Zentrum für Grundrechte erklärte in seiner Stellungnahme auch, warum Budapest den Wünschen der US-Behörden nicht nachgeben konnte.

Wer darf Sicherheitsbedenken anmelden?

Man denke nur einmal an die Ungarn aus Transkarpatien, deren doppelte Staatsbürgerschaft gegen die ukrainische Verfassung und das dortige Staatsbürgerschaftsgesetz verstößt, wonach es für Bürger der Ukraine nur eine Staatsbürgerschaft geben kann. „Wir wissen von den engen und korrupten Beziehungen zwischen den Regierungen der USA und der Ukraine, Stichwort Präsidentensohn Hunter Biden. Würden wir den USA die Liste der Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft übergeben, landete diese sehr wahrscheinlich bald auf dem Tisch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Unsere nationalkonservative Regierung wird keinen einzigen Ungarn preisgeben oder Sicherheitsrisiken aussetzen. Weil das so ist, nimmt die Regierung von Joe Biden nun Rache. Wenn jemand Sicherheitsbedenken anmelden darf, dann ist das Budapest. Schließlich waren es Kreise der Demokraten, die der ungarischen Linken bei den Parlamentswahlen 2022 mit erheblichen Dollarbeträgen zur Macht verhelfen wollten.“

Konsequenzen feindseliger Politik

Die These von einer billigen Rache der US-Regierung erhärtet der Umstand, dass Ungarn mit einem Geburtsort außerhalb des heutigen Mutterlandes schon bislang von der Visafreiheit ausgeschlossen waren. Dessen ungeachtet warnt der frühere Botschafter Ungarns in Washington, András Simonyi, wenn die Orbán-Regierung die Warnzeichen nicht verstehe, könnte das Land seine Privilegien endgültig verlieren. „Das wäre eine Katastrophe, weil nicht nur Einreisen von Ungarn in die USA erschwert werden, sondern Ungarn innerhalb der EU abgewertet würde, zu einem Land zweiter Klasse“, sagte der Ex-Diplomat und heutige Institutsdirektor an der Johns Hopkins-Universität in Washington der Tageszeitung „Népszava“.

Der liberale Außenpolitiker István Szent-Iványi setzte diesen Warnschuss in eine weitere Perspektive. Dem linksliberalen Nachrichtenfernsehen ATV sagte er: „Die Orbán-Regierung verhält sich zunehmend aggressiver gegenüber den USA und dem Westen. Bei seiner Rede auf der Siebenbürger Sommeruni hat sich Ministerpräsident Viktor Orbán im Verhältnis USA zu China eindeutig auf die Seite der Chinesen gestellt.“ Die USA hätten mit ihrer jetzigen Antwort signalisiert, welche Konsequenzen diese feindselige Politik haben kann.