Orbán
Ministerpräsident Viktor Orbán: „Die EU ist von Grund auf ein Friedensprojekt, aber heute haben wir Krieg in Europa.“ Fotos: MTI/ Zoltán Fischer

Orbán in Italien:

„Wir sollten die politische Union begraben!“

Europa steht vor drei großen Herausforderungen, die Ministerpräsident Viktor Orbán am Freitag auf dem 50. Cernobbio-Forum wie folgt definierte: Frieden schaffen in der Ukraine, einen neuen Wettbewerbspakt für die EU auflegen und den gescheiterten Migrationspakt neu verhandeln.
Orbán
„Heute scheint es ein Vergehen zu sein, für den Frieden einzustehen. Ich denke nicht, dass dies der EU guttut.“

Ministerpräsident Orbán hielt am Freitag auf dem internationalen Forum am Comer See Vorträge, stellte sich auf dem Podium zur Diskussion und anschließend den Fragen von Journalisten. Das Hauptproblem Europas sei heute zweifellos der Ukraine-Krieg. Es brauche eine Kommunikation zwischen Russen und Ukrainern, die notwendig sei, weil andernfalls immer weiter eskaliert werde. Dann müsse ein Waffenstillstand eintreten, und erst danach könne über die Art des Friedensschlusses verhandelt werden.

„Ich bin seit mehr als drei Jahrzehnten in der Politik tätig und seit 14 Jahren Mitglied des EU-Rates. Bislang war unser gemeinsam verfolgtes politisches Ziel in Europa stets der Frieden. Heute scheint es ein Vergehen zu sein, für den Frieden einzustehen. Ich denke nicht, dass dies der EU guttut.“

An die eigene Friedensmission vom Sommer in Kiew, Moskau, Peking und den USA erinnernd resümierte Orbán, er habe dabei das Gefühl gewonnen, dass weder Russen noch Ukrainer zum gegenwärtigen Zeitpunkt Frieden wollen, weil beide Seiten glauben, die Zeit arbeite für sie. Es brauche ein Umfeld, in dem die internationale Gemeinschaft unmissverständlich auf einen Waffenstillstand drängt.

„Warum tut Brüssel das?“

Die ungarische Ratspräsidentschaft strebe einen neuen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit an, weil die EU andernfalls hoffnungslos zurückfällt hinter die USA und China. Zum Green Deal merkte der Ministerpräsident an, dieser laufe den Interessen der Unternehmen in der EU und der Geschäftslogik zuwider.

Die jüngste irrationale Entscheidung seien die Strafzölle auf Elektroautos aus China. „Nicht einmal die deutschen Autobauer wollen diese angeblichen Schutzzölle. Also warum werden diese eingeführt?“

Orbán
„Der Green Deal gehört zu den großen Irrungen der Politik der EU-Kommission.“

Die EU brauche weniger bürokratische Verfahren und weniger Bürokraten, sie müsse Anreize schaffen für die eigenen Unternehmen, endlich wieder in Europa an Stelle von Nordamerika oder China zu investieren.

Auch für eine stärkere Integration des Binnenmarktes sprach sich Orbán aus, jedoch entschieden gegen eine politische Union: „Die sollten wir begraben, weil das der Tod für den Standort EU wäre.“ Entgegen dem eigentlichen Ziel würde nämlich eine Art Desintegration forciert. Die gemeinsame Militär- und Sicherheitspolitik sei hingegen der Bereich, wo eine vertiefte Integration wichtig wäre.

Orbán: „Der Migrationspakt ist gescheitert!“

Der erst vor einem Jahr eiligst zusammengeschusterte Migrationspakt ist gescheitert, hielt Orbán unmissverständlich fest. „Ohne eine neue Übereinkunft wird die illegale Migration die EU sprengen, das müssen wir verhindern!“

Den Ungarn wundere es, dass eine EU-Kommission, die bei all diesen drei großen Herausforderungen versagt habe, nun quasi die Möglichkeit für eine zweite Amtszeit erhält. Natürlich werde auch er sich nach Kräften bemühen, die Kommission zu einer besseren Leistung zu animieren, aber „ehrlich gesagt haben die Bürger bei den Europawahlen etwas anderes gewollt“.

Orbán
Orbán bat um einen Sonderweg für Ungarn in der EU-Migrationspolitik, weil man sich nicht die Probleme aufhalsen will, mit denen zahlreiche Länder des Westens heute kämpfen müssen.

So sei Brüssel bestrebt, eine politische Einigung in Fragen wie der illegalen Migration zu erzwingen, wo keine Einigung möglich ist.

„Italien hat wie viele andere Länder jede Menge Menschen unkontrolliert ins Land gelassen und nun Probleme mit dem Zusammenleben. Wir haben diesen Weg erst gar nicht beschritten, denn wir wollen solche Leute nicht zu uns hereinlassen. Warum kann die EU nicht den Sonderweg einzelner Länder akzeptieren, die sich der gemeinsamen Migrationspolitik nicht anschließen wollen?“

Der Fall Salis oder die italienische Art

Viktor Orbán lobte seine Amtskollegin Giorgia Meloni als „christliche Schwester“. Früher hätten solche Beziehungen keine große Rolle in der EU-Politik gespielt, aber nun würden wir uns einer neuen Epoche annähern. Es habe eine grundlegende Bedeutung für Ungarn und für Italien, dass dieser kulturelle Aspekt in die Politik Europas zurückkehre.

Als die italienischen Journalisten die Meinung des Premiers dazu hören wollten, dass die zuvor in Budapest inhaftierte Ilaria Salis Europaabgeordnete wurde, meinte Orbán zunächst diplomatisch, diese Wahl sei die innere Angelegenheit der Italiener. Um dann scharf hinzuzufügen:

„Wer in Ungarn friedliche Bürger auf der Straße zusammenschlägt, begeht ein Verbrechen. Es ist nicht gerade die feine englische Art, aber offenbar recht italienisch, dass jemand, der als Mitglied einer Bande Gewalt gegen friedliche Passanten anwendet, anschließend mit einem Mandat im Europaparlament belohnt wird.“

„Bei uns werden solche Schläger eingesperrt, Italien aber wählt diese Frau ins Europaparlament“, meinte Viktor Orbán zum Fall der bekennenden Antifa-„Aktivistin“ Ilaria Salis.

4 Antworten auf “„Wir sollten die politische Union begraben!“

  1. Die EU ist wie die NATO ein Verbrecher-Syndikat im Dienste der US-Hegemonie, sprich der Multis-Hegemonie. Terrorisiert die einheimischen Völker, und die sind so hirngewaschen, daß sie zu zwei Drittel auch noch danke dafür sagen.

    5
    1
  2. „Wir sollten die politische Union begraben!“

    Eine gesteuerte und institutionell organisierte Auflösung der politischen Union wird es vermutlich nicht geben, obwohl das in meinen Augen sinnvoll wäre (auch um den deutschen Steuerzahler zu entlasten >> Verringerung der Kosten der Migration, Abschaffung der Ausgleichszahlungen an andere EU-Länder usw.).

    Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird es mehr oder weniger ohne begrenzte chaotische Verhältnisse nicht gehen und es ist zu erwarten, dass sich die EU in der Folge in verschiedene Blöcke aufspalten würde.

    Folgende 3 Blöcke wären im Moment denkbar:

    1. Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Benelux, Deutschland, Griechenland, Malta, Zypern, Slowenien, Kroatien, ggf. auch Tschechien (?), Österreich (?), Polen (?), Finnland (?), Schweden (?), Dänemark (?) und die Balten (?).

    2. Schweden (?), Dänemark (?), Finnland (?) und die Balten (?)

    3. Ungarn, Slowakei und der Rest der Länder, die sich nicht den beiden o.a. Blöcken anschließt.

    2
    0

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel

BZ+
12. Oktober 2024 13:50 Uhr
BZ+
11. Oktober 2024 15:30 Uhr