Ministerpräsident Viktor Orbán im Interview: „Ich verstehe, was Putin gesagt hat. Aber ich akzeptiere nicht, was er getan hat.“ Archiv-Foto: MTI/ Zoltán Fischer

Orbán in der Weltwoche:

„Ich gebe meinen Kurs nicht auf“

Herausgeber Roger Köppel traf Ministerpräsident Viktor Orbán dieser Tage in Budapest. Unter dem Titel „Wir beten und vertrauen auf den lieben Gott“ brachte die Schweizer „Weltwoche“ nun das ausführliche Interview, in dem es um den Ukraine-Krieg und Wege zum Frieden, aber auch um die „dramatische Schwäche“ Europas geht.

„Ungarns politische Elite ist stark genug, um unser Land aus dem Krieg herauszuhalten“, erklärte der Ministerpräsident den Alleingang, der Ungarn ständigem Druck aussetze von Kräften, die nicht wählerisch seien in ihren Mitteln. Orbán erinnerte im Zusammenhang mit dem 1999 ausbrechenden Kosovo-Krieg an den Charakter der NATO als Verteidigungsbündnis. „Schon damals wollte man uns zwingen, an der Südgrenze eine Front zu Serbien zu eröffnen“, was seine Regierung jedoch ablehnte.

„Wir haben Ungarn zu einem Siegerland gemacht“

Als einen seiner größten persönlichen Erfolge betrachtet der Fidesz-Chef, Ungarn aus einem Verliererland zu einem Siegerland gemacht zu haben. Er versprach seinen Landsleuten, dass alle Arbeit haben und alle „Herr über ihr Leben sein“ werden. Heute könne er sagen, das sei gelungen. Seine Botschaft zum Nachahmen laute: „Die ganze Welt versucht mich von meinem Kurs abzubringen, aber ich gebe nicht nach.“

„Ich möchte mir nicht ausmalen, was wäre, wenn Russland den Krieg doch verliert. Allein die Tatsache, dass man solche Szenarien im Westen mittlerweile auf die leichte Schulter nimmt, zeugt von einer erschreckenden Distanz zur Wirklichkeit.“

 

„Wenn in Washington die Demokraten an der Macht sind, gehen wir in Deckung. Die wollen uns immer ändern, so wie die Brüsseler Politiker.“

Gleichgewicht noch vor Freiheit

Als junger Mensch hätte Orbán seine politische Philosophie unter dem Begriff „Freiheit“ subsumiert, heute würde er eher auf „Gleichgewicht“ setzen. Das erläutert er mit den Worten: „Ändere, was geändert, bewahre, was bewahrt werden muss.“ Das Streben nach Gleichgewicht  wurzele tief in den Ungarn, denen Gehorsam und Widerstand gleichermaßen wichtig sind.

In den Brüsseler Entscheidungen zum Konflikt in der Ukraine erkenne er immer öfter US-Interessen, denn europäische Interessen. Der tiefere Grund, warum Europa in diesem Krieg „verschwunden“ sei, liege an der verlorenen europäischen Identität. Die immer näher zusammenrückende EU sei der Grund für Europas Krankheit, denn man einige sich nur auf den Weg, ohne das Ziel zu kennen. Brüssel reiße Funktionierendes ein, „ohne zu wissen, was danach kommen soll“. Die EU befinde sich auf „derselben Schiene“ wie einst Marx, der „eine ganze Bibliothek“ vollschrieb, wie der Kommunismus verwirklicht werden könne, aber keinen einzigen Satz darüber, wie das Leben im Kommunismus denn aussehen würde.

Eine gefährliche Pattsituation

Den Krieg betrachtet er als Pattsituation, aus der leicht ein Weltkrieg entstehen könne, weil eine Atommacht gegen die ganze NATO ringe. Gefährlich mache diesen Krieg zudem, dass keine der Parteien klare Ziele formuliert hat, weder die Russen noch die Europäer oder die Amerikaner.

Auf die Frage, was passiert, wenn Russland den Krieg doch verliert, antwortete Orbán: „Das möchte ich mir nicht ausmalen. Es wäre eine geopolitische Erschütterung, viel schlimmer als die Implosion Jugoslawiens. Allein die Tatsache, dass man solche Szenarien im Westen mittlerweile auf die leichte Schulter nimmt, zeugt von einer erschreckenden Distanz zur Wirklichkeit, einer Blindheit gegenüber den Risiken der eigenen Politik.“ Er sprach sich dafür aus, die russischen Roten Linien zu akzeptieren, sich gleichzeitig aber auch gegen Russland zu stärken: Eine europäische NATO wäre eine Lösung, die er bereits 2012 ins Spiel gebracht habe.

15 Antworten auf “„Ich gebe meinen Kurs nicht auf“

  1. “Er sprach sich dafür aus, die russischen Roten Linien zu akzeptieren, sich gleichzeitig aber auch gegen Russland zu stärken: Eine europäische NATO wäre eine Lösung, die er bereits 2012 ins Spiel gebracht habe.”
    Genau darum ist Orbán der eigentliche Intellektuelle in einem Haufen orientierungsloser Europäer, meistens linksgrün wie SPD oder CSU. Die grüne Partei als Wortführer dieser Bewegung musste daher jetzt eine 180Grad Wendung hinlegen, um vom Paulus zum Saulus zu werden. Ihre grenzenlose Dummheit ist die Ursache für die lachhafte Zeitenwende.

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  2. Als Leser alternativer Medien kann ich sagen, dass Ungarn für aufgeklärte Menschen, besonders in Europa, ein wichtiger Pfeiler im Widerstand gegen die Pläne des von den USA geführten Angriffsbündnisses Nato. Angriffsbündnis, wirklich?
    Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Nato niemals einen Angriff abwehren musste, andererseits aber viele Angriffskriege geführt hat…
    https://diefreiheitsliebe.de/politik/die-illegalen-kriege-der-nato/

    Beruhigend und viel beachtet dürften dabei die Worte Orbans sein:
    “Ungarns politische Elite ist stark genug, um unser Land aus dem Krieg herauszuhalten” und ganz besonders Orbans Versicherung: “Ich gebe meinen Kurs nicht auf”.

    Das Russland verlieren könnte, möchte ich mir auch nicht ausmalen. Weil Russland die einzige verbleibende Macht ist, die einer globalen Oligarchen-Diktatur noch im Wege steht, die durch den Kampfhund der Oligarchen, den USA, durchgesetzt werden soll.

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        1. Sie meinen diese Seite…
          https://corvinak.hu/de/velemeny/2023/02/28/der-streit-um-die-rechtstaatlichkeit-ist-entschieden

          Die Rechtsstaatlichkeit in der EU ähnelt m.E. ein wenig dem Verhältnis eines Drogendealers zu seinen abhängigen Junkies. Zunächst wird mit kostenlosen oder günstigen “Proben” angefüttert, um dann, wenn eine gewisse Abhängigkeit hergestellt ist, das entstandene Erpressungspotential optimal auszunutzen. Ein drastisches Beispiel dafür ist Griechenland, wobei Theo Waigel die Rolle des Erpressers übernommen hatte, während die “Drogendealer” wohl eher in der Wallstreet oder der COL zu suchen wären. Dabei darf man eben nicht vergessen, dass Leute wie Waigel nur Erfüllungsgehilfen der wirklich mächtigen Oligarchen im Hintergrund sind.

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    1. @Armin Rieger
      “Und die Oligarchie in Ungarn ? Wer bremst die ?”
      Beckmessert ein Deutscher, der offensichtlich nicht den Hauch einer Anstrengung je unternommen hat, die noch wesentlich mächtigere, weitverbreitetere, ausufernde, metastasierende, seit Jahrzehnten Kriege führende Oligarchie in Deutschland zu bekämpfen.
      Wir jedenfalls haben noch nie von diesbezüglichen Heldentaten eines Armin Rieger vernommen.
      Und das wird wohl auch so bleiben – gelle?

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        1. @Armin Rieger
          “Das ist dann halt so, wenn die Argumente ausgehen, ”
          Echt jetzt, Herr Rieger?
          Jedes Bindewort, jedes Satzzeichen, jeder I-Punkt meines Textes ist die laserpräzise Argumentation schlechthin.
          Was gibt es da nicht zu begreifen?
          Drehen wir den Spieß doch mal um: Entkräften Sie doch einen einzigen Vorwurf, den ich gegen das deutsche Terrorregime und seine Duracell-Klatschäffchen in’s Feld führe.
          Und weil Ihnen das gar nicht gelingen kann, gilt auch die Zusammenfassung meines Konters: Jeder kehre den Dreck vor seiner eigenen Türe.
          Will heißen: Ein terroristisches, korruptes, hetzendes, kriegsgeiles, Dissidenten wegsperrendes Shithole wie die BRD hat sich weltweit jede Berechtigung verwirkt, mit dem Finger auf andere Staaten zu zeigen.

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          1. Zum Beispiel: Merkel Freund wurde ohne je Richter gewesen zu sein Präsident des Verfassungsgerichts: Stephan Harbarth.
            Merkel hat Verfassungsrichter vor einer wichtigen Entscheidung zu Dinner eingeladen.
            Sehe: Justizministerium “Befugnisse”
            Also: Sofort Anklage wegen Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit!

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  3. Die Aussage des ungarischen Premiers: “Ungarn aus einem Verliererland zu einem Siegerland gemacht zu haben” kann man als Leser und Beobachter der Budapester Zeitung und des BZ Magazins sowie einiger Freunde bestätigen. Die gesellschaftlichen und die industriellen Entwicklungen Ungarns überzeugen und beflügeln viele ungarischen Neubürger und Neu-Immobilienbesitzer aus dem Ausland dort sesshaft zu werden. Ein fester Glaube an sein Volk, seine guten Prinzipien und das Nicht-Nachgeben des Zeitgeistes prägen seinen Charakter (H. Orban) und führen zum Wunsch, dass der deutsche Regierungschef ähnlich gegenüber der EU und der USA agieren würde und könnte. Wie sagte Herr N. Peter so treffend und bezeichnend: “H. Orban ist der eigentliche Intellektuelle in einem Haufen orientierungsloser Europäer.” Bravo !!

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  4. Ich habe jetzt in MCC Corvinak.hu 2 Artikel von Herrn Kalnoky widergefunden, die sehr gut passen.
    Kalnoky gehört zu einer alten Familie aus Siebenbürger, ist in Deutschland, Frankreich USA, Türkei gelebt und jetzt seit vielen Jahren in Ungarn. “Erinnerungskultur in Deutschland und Ungarn”
    Wenn jemand den Artikel liest versteht man, warum, hauptsächlich warum die Geschichte eines Landes gecancelt werden sollen. Raub der Identität. Deutschland ist schon auf dem Weg. Wenn man nicht weiß, woher man kam, wird auch nicht wissen, wohin und warum man dorthin geht, Oder getrieben wird.
    Ein 2 Artikel: gleichwohl von Kalnoky. “Nein, die EU soll kein Großmacht werden”
    Diese beide Artikels reihen sich an den letzten eben jetzt über Rechtstaatlichkeit. Und auch zu Orban interview In DIE WELTWOCHE.
    Lesen Sie diese beide Artikel in Corvinak.hu, es geben sie auch deutsch.

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