EU
Außenminister Péter Szijjártó sieht in der „Ölkrise“ eine Inszenierung der EU-Kommission, um den Widerstand des Friedenslagers zu brechen. Foto: MTI/ Attila Kovács

Ölembargo

EU-Zentrale stellt sich taub

"Das ukrainische Ölembargo geschieht offenkundig abgestimmt mit der EU-Kommission", konstatierte am Wochenende Außenminister Péter Szijjártó. Obendrein wird noch Kroatien benutzt, um das Friedenslager der Ungarn und Slowaken zu erpressen.

„Es ist ja kein Geheimnis, dass die EU immer schwächer wird. Aber sie kann nicht so schwach sein zu tolerieren, dass ein Beitrittskandidat mit seinen Entscheidungen die Energieversorgung von zwei Mitgliedstaaten gefährdet.“ Diese Haltung zum aktuellen Streit um die von Kiew verfügten Lukoil-Sanktionen formulierte Außenminister Péter Szijjártó am Samstag beim MCC Fest in Esztergom. Immer mehr Politiker der Orbán-Regierung deuten mehr oder weniger verdeckt an, dass die Ukraine ihre Schritte mit der Brüsseler EU-Führung zumindest abgestimmt haben muss.

EU-Modewort Solidarität ist zuweilen ein EU-Fremdwort

„In Brüssel kann man es nicht ertragen, dass Ungarn keinem Druck weicht“, resümierte der Fidesz-Politiker, der offen aussprach, dass das Kiewer Ölembargo gegen Ungarn und die Slowakei von der EU-Spitze koordiniert vorgetragen wurde.

Dafür spricht auch, dass der Vizepräsident der EU-Kommission Valdis Dombrovskis und Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic praktisch zeitgleich ihre „Alternativvorschläge“ vorbrachten. „Die Kroaten bieten sich uns nun als Transitpartner an. Ein Partner, der die Transitgebühren auf einen Schlag verfünffacht und nur zum Abschluss kurzfristiger Verträge bereit ist“, merkte Szijjártó sarkastisch an. „Ungarn lässt sich nicht von Brüssel und auch nicht von Zagreb vorschreiben, woher es seine Energieträger bezieht.“

Im politischen Diskurs der EU ist das Wort „Solidarität“ in Mode, aber nun stellt sich die EU-Zentrale gewissermaßen taub, wenn ein Beitrittskandidat zwei Mitgliedstaaten Unannehmlichkeiten bereitet und ein dritter EU-Staat aus dem Dilemma Nutzen schlagen will.

Was die erpresserische Ukraine betrifft, erinnerte der Minister einmal mehr an Ungarns „Vorleistungen“ – Absicherung von mehr als 40% des ukrainischen Strombedarfs, Aufnahme von mehr als 1,3 Mio. Flüchtlingen sowie Betreuung von ukrainischen Kindern in nahezu 1.500 ungarischen Kindergärten und Schulen. Das alles leiste Ungarn, um der im Krieg befindlichen Ukraine zu helfen, obgleich Kiew immer neue Rechtsverstöße gegen die ungarische Minderheit in Transkarpatien verübt.

Szijjártó echauffierte sich über den sog. EU-„Friedensfonds“, wo Ungarn eine Milliardenauszahlung blockiere: „Es ist eher tragisch als witzig, dass sie diesen Fonds so bezeichnen. Denn aus diesem Fonds holen sich die Waffen liefernden Europäer einen Teil des Preises ihrer „Heldentaten“ zurück, natürlich aus dem Geld der Steuerzahler.“ Inzwischen seien Waffen im Wert von „vielen hundert Milliarden“ geliefert worden, ohne nennenswerte Erfolge an der Front, wo eher die Russen vorrücken.

Kroatien will abhängige Ungarn

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, betonte in einem Schreiben an die Regierungen in Budapest und Bratislava: „Die Ukraine gefährdet nicht die Versorgungssicherheit Ungarns und der Slowakei.“ Und er verwies auf die alternative Adria-Öltrasse durch Kroatien, die man – statt sich in Brüssel über die Ukrainer zu beschweren – nun bitte schön benutzen solle.

Péter Szijjártó kommentierte diesen Brief mit den Worten: „Das ist der Beleg, dass sich die Ukrainer einfach alles erlauben können. So benehmen sie sich gegenüber allen EU-Mitgliedstaaten, aber erst recht, wenn diese zum Friedenslager gehören und keine Waffen liefern. Ein Skandal!“

Es sei „reiner Zufall“, dass Kroatiens Premier Andrej Plenkovic gerade erst der EU-Kommissionspräsidentin in einem Schreiben aus Zagreb versichert habe, man könnte die eigene Adria-Trasse mit Öl für die Mitteleuropäer beschicken. Aber wenigstens beweise dieses Schreiben, dass hinter dem ukrainischen Ölembargo eine in Brüssel inszenierte, abgestimmte Aktion steckt. Würde Ungarn der Option der Druschba-Trasse unter dem jetzigen Druck freiwillig entsagen, wäre es den Spielchen der Kroaten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Ukrainer spucken große Töne

Während die offizielle ungarische Politik Erpressungen im Verhältnis zur Ukraine weiterhin ausschließen will, mehren sich angesichts des offenkundigen Komplotts der EU-Spitze mit den Transitländern Ukraine und Kroatien Hinweise auf Überlegungen, wo Ungarn dem im Krieg stehenden Nachbarn am ehesten wehtun könnte.

Im staatlichen Nachrichtenfernsehen M1 kam der Energieexperte des regierungsnahen Forschungsinstituts Századvég zu Wort, der auf den Stromhunger der Ukraine verwies. Olivér Hortay zufolge hat die Ukraine im Krieg drei Viertel ihrer Kapazitäten in der Stromerzeugung verloren und leidet immer wieder unter langanhaltenden Stromausfällen. Um dem zu begegnen, wurden die Importe intensiviert, an denen Ungarn einen Anteil von 40-42% hält. Das geschieht über das 750 kV-Umspannwerk der Mavir Zrt. in Szabolcsbáka im äußersten Nordosten Ungarns, unweit der Grenzen zu Ukraine, Slowakei und Rumänien.

Das Umspannwerk in Szabolcsbáka – hängt das ukrainische Stromnetz in Wirklichkeit am ungarischen Tropf? Foto: MTI/MTVA

Hortay zitierte wortwörtlich aus dem EU-Assoziierungsabkommen der Ukraine, wonach die Partner ihren Handel und Transitleistungen nicht einschränken dürfen. „Ab diesem Punkt ist das ukrainische Ölembargo rechtswidrig, die EU-Kommission müsste handeln. Brüssel tut dies aber nicht, weil kein unmittelbares Risiko für die Versorgungssicherheit der Gemeinschaft bestehe.“

Diese Argumentation hält der Energieexperte für gewagt, denn Lukoil deckt im Alleingang ein Drittel des Bedarfs der Erdölraffinerie Százhalombatta und sogar 45% des Bedarfs der Slovnaft-Raffinerie in Bratislava. „Wenn ein solcher Ausfall kein Versorgungsrisiko darstellt, weiß ich wirklich nicht, wann ein solches Risiko überhaupt eintreten kann“, zeigte er die Absurdität der Lage auf.

Des Weiteren wies Hortay detailliert nach, dass die Kapazitäten der Adria-Trasse den Bedarf der drei Länder (neben Ungarn und der Slowakei ist marginal auch Tschechien betroffen) gar nicht vollständig abdecken können.

Sicherlich nicht unabhängig von dieser Berichterstattung im Staats-TV veröffentlichte die amtliche Nachrichtenagentur MTI prompt Fotos vom Umspannwerk des ungarischen Übertragungsnetzbetreibers Mavir in Szabolcsbáka. Während der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal abschätzig zu Drohungen der Regierung von Robert Fico aus Bratislava anmerkte, Kiew könne auf die Diesellieferungen der Slowaken locker verzichten, spucken die Ukrainer in Sachen Strom vorerst keine großen Töne.

11 Antworten auf “EU-Zentrale stellt sich taub

  1. Wenn Kroatien als Transportland unakzeptabel ist, dann ist die Ukraine es doch erst recht. Ist Bulgarien akzeptabel, es hat sich doch angeboten? Wenn ein Transport durch Bulgarien aber nicht geht, warum sollte es dann durch Kroatien gehen?

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      1. Ich bin neugierig, was bei dieser Tatsachebeschreibung Daum runter sein kann?
        Also ich weiß, weil ich dann in Wie war. Das Musterdemokratie Ukriland hat schon vor ca 15 Jahre aus der Leitung gestohlen.
        Deutschland hat vorsorglich Nordstream gebaut- mit Recht. Dass Ukriland mit Freund und Verbündeten es sprängt…. Also mit Ukriland darf man kein Vertrag unterschreiben. Was sie schon zusammengelogen haben!

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