Ukraine-Krieg
Drohne fliegt unbehelligt bis Zagreb
Am Samstag beklagte sich der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic, die Militärdrohne hätte von der NATO-Luftabwehr abgeschossen werden müssen, bevor sie größeres Unheil anrichtet. Die unbemannte Drohne war in der Nacht zum Freitag in einem Vergnügungsviertel in Zagreb zu Boden gegangen. Dabei wurden 40 Pkw ramponiert, Menschen kamen aber zum Glück nicht zu Schaden.

Offenbar wurde die Drohne sowjetischer Bauart vom Territorium der Ukraine aus gestartet; welche der Kriegsparteien hinter dem Abschuss steht, ist noch unklar. (Auch ein Abschuss von Belarus aus ist nicht ganz auszuschließen.) Plenkovic sprach von einer veralteten kroatischen Luftabwehr, die das immerhin 6 Tonnen schwere Objekt während der 7-minütigen Flugdauer über dem Territorium des Landes nicht abschießen konnte. Staatspräsident Zoran Milanovic erweiterte diese Kritik auf die Luftabwehr in „ganz Osteuropa“.
Abgeklärt reagiert?
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó hatte sich noch am Freitag zu Wort gemeldet. Nach seiner Darstellung seien die Gripen-Abfangjäger der Ungarischen Armee wegen verdächtiger Radar-Warnsignale wiederholt in die Luft beordert worden. Die Verletzung des Luftraums habe „gleich drei NATO-Staaten“ betroffen, neben Ungarn auch Rumänien und Kroatien.
Szijjártó behauptete, er habe seine Kollegen in den Nachbarländern informiert. Das widerspricht den Worten von Plenkovic, der geradezu behauptete, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán habe überhaupt erst von ihm über den Absturz in Zagreb erfahren.

Auch die Ungarische Armee (HM) gab ihre Version des Zwischenfalls kund. Demnach habe die Luftabwehr die Drohne vom Eintritt in den ungarischen Luftraum an „beobachtet, verfolgt und kontrolliert“. Die 14 Meter lange Drohne vom Typ TU-141 gilt als veraltet und wurde zuletzt nur noch zu Ausbildungszwecken eingesetzt. Auf den Radarschirmen wurde das Flugobjekt bereits in der Ukraine und anschließend in Rumänien ausgemacht, bevor es bei Csenger (nordöstlich von Debrecen) nach Ungarn einflog. Die HM erklärte, wegen des Ukraine-Kriegs sei es relevant, „auf solche Ereignisse überlegt und abgeklärt zu reagieren“. Ungarn müsse sich aus dem militärischen Konflikt heraushalten, selbst wenn solche Aktionen als Provokationen gedacht seien.
Offenbar scharfe Bombe!
Derweil haben die Untersuchungen der Kroaten Bombenreste und Überreste eines Zünders an dem Drohnenwrack entdeckt, das aus einem drei Meter tiefen Krater geborgen wurde. Das entkräftet die Vermutung, es handelte sich „nur“ um eine Aufklärungsdrohne. Experten des Verteidigungsministeriums hätten herausgefunden, dass die Sprengung nach dem Aufschlag erfolgte – die Sprengladung soll ungefähr 120 kg betragen haben.
Zum Glück sei die TU-141 auf weichen Boden aufgeschlagen, so dass die Sprengung im Erdreich geschah. Beim Aufschlag auf Beton hätte die Detonation verheerende Auswirkungen haben können. (Andere kroatische Experten bestreiten die These des Verteidigungsministeriums. Nach ihrer Ansicht wäre bei einer Sprengkraft dieser Dimension nichts von der Drohne übrig geblieben.)
„Es liegt auf der Hand, dass wir mit der Reaktion Ungarns und Rumäniens nicht zufrieden sind. Sie konnten das Flugzeug auf dem Radar weitaus früher als wir entdecken und taten dennoch nichts.“
Rob Bauer lobte Wachsamkeit
Unabhängige Militärexperten merkten zuvor an, die Drohne dürfte außer Kontrolle geraten sein. Die Entfernung vom vermeintlichen Abschussort in der Ukraine bis zum Absturz in der kroatischen Hauptstadt entspricht ungefähr der bekannten Reichweite von ca. 1.000 Kilometern. Die Drohne durchquerte also den Luftraum von drei NATO-Staaten, ohne dass sie abgeschossen wurde. Dabei dürfte sie sich ungefähr 3 Minuten über Rumänien und 7 Minuten über Kroatien bewegt haben, aber immerhin 40 Minuten über ungarischem Territorium.
Im Internet wurden die Orbán-Regierung und die verantwortlichen Minister dementsprechend schnell zum Gespött. Die Kommentare erinnern daran, wie sich Ungarn noch unmittelbar vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs brüstete, man brauche die NATO nicht, um die Sicherheit der Bürger und die Souveränität des Landes zu garantieren. Das geschah mit Hinweis auf die eigene modernisierte Armee, die im Rahmen des Programms „Zrínyi 2026“ seit Jahren mit schweren Milliardenbeträgen gefüttert wird.
„Wie konnte die Ungarische Armee der Ansicht sein, diese Drohne bedeute keine Gefahr? Hier haben wir es nicht mit strategischer Gelassenheit zu tun, das ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und zeigt, wie dilettantisch das Land geführt wird.“
Erst vor wenigen Tagen hatte der niederländische Admiral Rob Bauer den hohen Grad an Bereitschaft und Wachsamkeit der ungarischen Streitkräfte gelobt. Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses hielt sich bis Mittwoch in Ungarn auf, wo er die Ostgrenze zur Ukraine und Manöverübungen inspizierte. Danach bescheinigte er Armeechef Romulusz Ruszin-Szende, die Ungarische Armee sei „stärker als je zuvor“. Bauer lobte gesondert die Unterstützung der Soldaten bei der humanen Bewältigung des Flüchtlingsstroms.

Nun ja – 40 Minuten sind nicht wirklich viel Zeit, um die Lage zu sondieren und eine Entscheidung zu treffen.
Aber eine militärische Drohne unbekannter Herkunft im eigenen Luftraum stellt eine Gefahr dar, auf die die Luftverteidigung reagieren sollte.