EU-Außenminister
Die Wirtschaft leidet unter Ideologie
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Außenminister Péter Szijjártó wiederholte nach den neuerlichen Beratungen mit seinen Amtskollegen, wie sinnlos die Strafmaßnahmen gegen Russland seien, die ihre ursprünglich gesetzten Ziele weit verfehlten. „Der Schaden dieser EU-Sanktionspolitik ist größer, als der Nutzen. Dass die Sanktionen im großen Stil ausgetrickst werden, belegt doch nur ihr Scheitern.“ Die Wirtschaft der EU müsse unter dieser emotionsgetriebenen Politik auf ideologischer Basis leiden. „Der nüchterne Verstand sagt uns, sinnlose Dinge zu beenden, die Ideologen unter den Außenpolitikern aber wollen immer noch strengere Sanktionen.“
Es gibt keine Tiefenanalyse
Es werde über das mittlerweile 12. Sanktionspaket verhandelt, ohne dass eine umfassende Analyse über die Auswirkungen der ersten elf Pakete vorgelegt worden sei. „Bitte wer kann uns sagen, welche wirtschaftlichen Schäden die bisherigen Sanktionen in Europa angerichtet haben?!“ Szijjártó habe einen „gründlich recherchierten“ Bericht der EU-Kommission gelesen, wonach die Sanktionen schon allein deshalb funktionieren, weil die Einnahmen Russlands sinken.
Rückendeckung aus Prag
Der ungarische Außenminister lehnte einmal mehr alle Vorstöße ab, die Nuklearenergie mit Sanktionen zu belegen oder die Ausnahmeregelungen für Erdöl auslaufen zu lassen. In letzterer Hinsicht erhielt er am Montag Rückendeckung aus Prag. Dort waren sich die Ministerpräsidenten Tschechiens und der Slowakei einig darin, die Belieferung Tschechiens mit Produkten der slowakischen Slovnaft-Raffinerie fortzusetzen, weil diese von strategischer Bedeutung für die Versorgungssicherheit des Landes sei. Die im Eigentum der ungarischen MOL-Gruppe befindliche Raffinerie wurde vorübergehend von den Sanktionen ausgenommen, weil die technische Umstellung vom russischen Erdöl nicht im Handumdrehen gelingen kann.
Immer wieder hören wir von unterschiedlicher Seite, dass die Sanktionen wirken oder dass die Sanktionen nichts nützen. Alle Behauptungen leiden immer darunter, dass sie nicht begründet werden und nur propagandamäßig von der jeweiligen Seite interessengetrieben verkündet werden. Um mal hier ein bisschen Licht hereinzubringen, nachfolgende Beiträge.
Russland lässt sein Gas im Boden
In den meisten relevanten Wirtschaftszweigen hat Russland sich an die Sanktionen des Westens angepasst. Nur in einem nicht: Der Gasexport ins ferne Ausland ist seit Beginn von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine nur noch ein Schatten seiner selbst. 2021 lieferte Russland an seine europäischen Kunden inklusive der Türkei gut 185 Milliarden Kubikmeter Gas. 2022 waren es noch rund 100 Milliarden Kubikmeter, in diesem Jahr könnte sich die Menge Fachleuten zufolge noch einmal halbieren.
Auch die Förderung ist eingebrochen: Laut Gazprom , Russlands staatlich kontrolliertem Monopolisten für den Export von Röhrengas, lag sie in den ersten 6 Monaten dieses Jahres um beinahe 25 Prozent niedriger als im selben Zeitraum 2022. Russland verlor auf absehbare Zeit seinen wichtigsten Absatzmarkt für Pipelinegas.
Solange das Gas im Boden bleibt, bringt es Russland aber auch keine Einnahmen. Das ist bisher angesichts eines florierenden Ölexports nicht kritisch, doch wird der Abnutzungskrieg in der Ukraine immer teurer: Im kommenden Jahr sieht der Haushalt noch deutlich höhere Ausgaben für Rüstung und Hilfszahlungen an die Bevölkerung vor als in diesem. Neue Kunden müssen also her. Am ehesten in Frage kommt der Nachbar China mit seinem riesigen Energiebedarf; bisher führt dorthin aber nur eine einzige Pipeline: Sila Sibiri (Kraft Sibiriens) 1, die 2019 in Betrieb genommen wurde, mit einer Kapazität von 38 Milliarden Kubikmetern im Jahr. Diese ist bisher aber noch nicht erreicht. 2022 lieferte Russland über die Pipeline lediglich 15,5 Milliarden Kubikmeter.
Eine zweite Pipeline bis China strebt Russlands Präsident Wladimir Putin seit Jahren an: „Sila Sibiri 2“ soll sie heißen und mit einer Kapazität von 50 Milliarden Kubikmetern einmal längs durch Russland, dann durch die Mongolei nach China führen. Doch die Verhandlungen ziehen sich hin. Zwar tut Putin immer wieder so, als könne der Bau der Pipeline jeden Moment beginnen. „Praktisch alle Parameter“ seien „finalisiert“, sagte er etwa während des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping im März in Moskau. Aber bis heute ist nichts zu erkennen, dass es demnächst losgeht.
Wenn der Preis für das Gas und die Baukosten für diese geplante Pipeline denen von Sila Sibiri 1 ähnelten, könne Russland pro 1000 Kubikmeter gelieferten Gases durchschnittlich 73 Dollar einnehmen, schreibt Wakulenko in einer Analyse für Carnegie – deutlich weniger als die 135 bis 155 Dollar, die der Verkauf derselben Menge an Deutschland zwischen 2015 und 2019 einbrachte. Insgesamt könne Russland an Sila Sibiri 2 im Jahr 2,5 bis 4,3 Milliarden Dollar abzüglich der Produktionskosten verdienen. Das sei – wegen des niedrigeren Gaspreises und der geringeren Liefermenge – „weit entfernt“ von den 20 Milliarden Dollar, die der Handel mit Europa früher eingebracht habe, aber immer noch eine bedeutende Summe, so Wakulenko.
Regierungsvertreter sprechen gerne über die vielen neuen LNG-Projekte, die in Arbeit seien, darunter auf Jamal. Doch sei die Technik stark von importierten Bestandteilen abhängig, sagt Wakulenko, und damit nicht nur rund doppelt so teuer wie der Bau einer Pipeline, sondern auch viel anfälliger für Sanktionen. Die Tanker, die etwa für den Transport von Flüssiggas von Jamal aus nötig seien, müssten Eisbrecherqualität haben und kämen meist aus Südkorea; Russland selbst könne sie nicht herstellen. Yafimava zufolge gelingt es Russland aber auch in diesem Bereich immer besser, Sanktionen zu umgehen.
Quelle: FAZ
Laut dem Bericht wird Russland 2023 rund ein Drittel (ca. 100 Milliarden US-Dollar) aller Staatsausgaben nur für militärische Zwecke verwenden. Die Rüstungsindustrie ist aktuell der Motor der russischen Wirtschaft und ausschlaggebend für das BIP-Wachstum. Allerdings hat die damit verbundene Mobilisierung von Arbeitskräften für die priorisierte Rüstungsindustrie und Soldaten für die Front Auswirkungen auf den russischen Arbeitsmarkt. Firmen leiden unter Personalmangel.
Hinzu kommt, dass in 2022 eine Rekordzahl von 668.000 Menschen das Land verlassen haben. Präsident Wladimir Putin hatte im Sommer 2023 bei einem Treffen mit Chefs des verarbeitenden Gewerbes bereits auf dieses Problem hingewiesen: „Der Arbeitskräftemangel wirkt sich allmählich auf kleine und mittlere Unternehmen aus, und zwar nicht auf die beste Art und Weise“, sagte er damals.
Darüber hinaus beträgt die aktuelle Inflationsrate 7,5 Prozent, anstelle der von der Zentralbank vorgegeben 4 Prozent. Eine geplante Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst, um die steigenden Preise zu bewältigen, ist kürzlich gestoppt worden.
Quelle: FR
Russlands Wirtschaft läuft Gefahr zu überhitzen, warnt die Zentralbankchefin – und erhöht den Leitzins auf 16 Prozent
Die von den Sanktionen betroffene russische Wirtschaft hat sich fast 22 Monate nach dem Krieg mit der Ukraine als ungewöhnlich widerstandsfähig erwiesen. Tatsächlich läuft die russische Wirtschaft Gefahr, zu überhitzen, warnte Elvira Nabiullina, die Gouverneurin der russischen Zentralbank. Sie hob am vergangenen Freitag den Leitzins des Landes auf 16 Prozent an, wie aus einem offiziellen Protokoll hervorgeht.
Die Wirtschaft expandiert so schnell, weil sie fast alle verfügbaren Ressourcen nutzt”, sagte Nabiullina. “Eine hartnäckig hohe Inflation ist ein Beweis dafür, dass die Wirtschaft von ihrem Potenzial abgewichen ist und es ihr an Kapazitäten fehlt, um die steigende Nachfrage zu befriedigen”, fügte sie hinzu.
Russland meldete für das dritte Quartal dieses Jahres ein BIP-Wachstum von fünfeinhalb Prozent – nach einem Rückgang von dreieinhalb Prozent im Vorjahreszeitraum -, während die Arbeitslosigkeit ein Rekordtief erreicht hat, da viele das Land verlassen haben oder im Krieg kämpfen. Berichten zufolge ist ein Großteil des Wachstums des Landes auf die massiven Militär- und Staatsausgaben zurückzuführen.
Das russische Wirtschaftswachstum hat die Inflation angekurbelt, die im November 7,48 Prozent erreichte – gegenüber 6,69 Prozent im Oktober, wie aus den offiziellen Statistiken hervorgeht. Die russische Zentralbank versucht daher, die Wirtschaft abzukühlen, indem sie die Inflation durch höhere Zinssätze eindämmt, um die Nachfrage zu dämpfen und die Preise zu senken. Das mittelfristige Inflationsziel des Landes liegt bei vier Prozent.
Während es Putins Regierung gelungen ist, eine rosige Fassade für die russische Wirtschaft aufrechtzuerhalten, sind die offiziellen Wirtschaftsstatistiken des Landes fast unmöglich zu verifizieren. Igor Lipsits, ein prominenter russischer Wirtschaftswissenschaftler, sagte letzten Monat “Reuters”, die tatsächliche Situation des Landes sei schlecht.
Quelle: Business Insider
Nach Angaben des russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin haben China und Russland die Verwendung des US-Dollars im bilateralen Handel fast vollständig eingestellt.
Bei einem Treffen mit chinesischen und russischen Beamten in dieser Woche sagte Mischustin, dass über 90 Prozent des Handels zwischen den beiden Ländern über den russischen Rubel oder den chinesischen Yuan laufen. Dies zeugt von einer fast „vollständigen Entdollarisierung der Wirtschaftsbeziehungen“, sagte er laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS.
Gleichzeitig hat Peking bei dem Versuch, den Yuan zu internationalisieren, einige Erfolge erzielt. Sein Anteil am weltweiten Zahlungsverkehr stieg von 1,9 Prozent im Januar auf 3,6 Prozent im Oktober. Und die People’s Bank of China hat mit mehr als 30 Zentralbanken, darunter Saudi-Arabien und Argentinien, bilaterale Währungsswaps unterzeichnet.
Doch der Dollar dominiert die Finanzmärkte immer noch bei weitem, da 54 Prozent der Devisenreserven der Zentralbanken und 88 Prozent des Welthandels im Jahr 2022 auf den Greenback entfallen.
Quelle. Business Insider
Schon etwas älter: Welche Russland-Sanktionen wirken – und welche nicht
Luftfahrtindustrie leidet
Als wirksam haben sich bislang die Sanktionen gegen die russische Luftfahrtindustrie erwiesen. Der Luftraum in den USA und weiten Teilen Europas ist für russische Fluggesellschaften gesperrt. Zudem bekommen sie keine Flugzeuge, Ersatzteile oder sonstige Technik von westlichen Herstellern wie Airbus oder Boeing. Die Auslastung russischer Flugzeugfabriken sank in der Folge um 80 Prozent, die Passagierzahlen brachen zuletzt um 20 Prozent ein. Um den Niedergang zu bremsen, will die russische Führung nun Komponenten zwischen Flugzeugen austauschen. Airlines wie die staatlich kontrollierte Aeroflot sind bereits gezwungen, ältere Flugzeuge auszuschlachten, um sich Ersatzteile zu sichern. Nach Schätzungen des “Economist” wird in Russland in zwei Jahren jedes fünfte zivile Flugzeug am Boden bleiben müssen, da Ersatzteile fehlen.
Bis Kriegsbeginn war Russland außerdem ein wichtiger Markt für Flugzeug-Leasing: Inzwischen sitzen Flugzeuge im Wert von fast zehn Milliarden US-Dollar in Russland fest, da die Leasinggeber die Verträge kündigen mussten. Inzwischen will Russland die Maschinen im eigenen Land registrieren – was “effektiv bedeutet, dass wir die Flugzeuge gestohlen haben”, so der unabhängige russische Luftfahrtexperte Wadim Lukaschewitsch. Der Kreml will zwar einige der mehr als 400 Leasing-Flugzeuge kaufen. Doch dieser Plan dürfte scheitern, da die EU dem Deal zustimmen müsste.
Autoindustrie am Boden
Russlands Autoindustrie war lange von westlichen Firmen geprägt. Als Autobauer wie Renault oder Ford das Land infolge des Angriffs auf die Ukraine verließen und auch deutsche Hersteller wie Volkswagen und Mercedes ihren Abschied einläuteten, stand praktisch die gesamte Autoproduktion still. Auch russische Hersteller wie Avtovaz – bis dahin von Renault dominiert – waren plötzlich gezwungen, ihre Produktion wegen fehlender Teile stark einzuschränken. Seit Mitte 2022 rollen die Bänder zwar wieder, gebaut wird aber ohne ABS oder Airbag.
In der Not versucht der Staat, die Lücke mit Partnern zu schließen. Im früheren Renault-Werk nahe Moskau wurde etwa der Moskwitsch nach rund 20 Jahren wiederbelebt – in einer Kooperation mit dem chinesischen Autobauer JAC. Im vergangenen Jahr sollten in der Fabrik ein paar hundert Modelle produziert werden, erst 2023 sollen die Modelle in Masse vom Band laufen. Insgesamt aber sind die Autoverkäufe der Branche im Jahr 2022 um knapp 60 Prozent eingebrochen – auf exakt 687.370 Autos und leichte Nutzfahrzeuge, so die russische Association of European Businesses (AEB) . Nach dem Abschied der westlichen Autofirmen bemühen sich inzwischen vor allem chinesische Autohersteller, in die entstandene Lücke zu stoßen.
Diese Sanktion umgeht Russland: Sanktionen gegen Banken
Zahlreiche russische Banken waren durch die EU kurz nach Kriegsbeginn vom Zahlungssystem Swift ausgeschlossen worden, was den Finanzsektor kurzzeitig ins Wanken brachte. Ausländische Investoren erhielten keine Zahlungen mehr für ihre russischen Staatsanleihen, denn Russland war vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten und damit technisch zahlungsunfähig. Die Landeswährung Rubel verlor massiv an Wert, die Inflation schnellte in die Höhe und auch der russische Aktienmarkt stürzte ab. Doch der Kollaps des russischen Finanzsystems blieb aus.
Der Grund: Die russische Zentralbank steuerte mit Zinssenkungen entgegen, das Geld für Öl und Gas floss weiter, da der energiehungrige Westen per Ausnahmeregelung weiterhin Geld an die Gazprombank überwies. Zudem begrenzten Kapitalverkehrskontrollen und die Verpflichtung der russischen Exporteure, 80 Prozent ihrer eingenommenen Devisen in Rubel zu konvertieren, den Schaden. So war der Rubel nur zwei Monate nach Beginn der Sanktionen wieder so stark wie zuvor. Statt über Swift läuft außerdem ein Teil des Finanztransfers inzwischen über Cips, eine Art chinesisches Swift.
Einfrieren der Devisenreserven
Wenig wirtschaftlichen Effekt hatte auch die Entscheidung, die Devisenreserven von Russlands Zentralbank im Ausland einzufrieren, sagt der Russland-Experte und Wirtschaftswissenschaftler Janis Kluge von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik . Der Grund waren auch hier die Öl- und Gasmilliarden, sodass das Land auch gut ohne die Reserven auskam. Sinnvoll sei das Einfrieren der Devisenreserven aus Sicht von Kluge dennoch gewesen. Schließlich hätte Moskau die Reserven ansonsten in andere Währungen umtauschen können, außerhalb der Reichweite westlicher Sanktionen, argumentiert er.
Vermögenssperren für Oligarchen
Viel Aufmerksamkeit bekamen zu Beginn des Krieges die Strafmaßnahmen gegen Privatpersonen und Organisationen – darunter zahlreiche russische Oligarchen, Abgeordnete, Minister, prominente Geschäftsleute und andere Personen, die Putin nahestehen. Von den Sanktionen der EU, Großbritanniens und der USA sind tausende Personen betroffen. Doch die Wirkung ist bislang enttäuschend. Die EU hat rund 19 Milliarden Euro an Privatvermögen eingefroren – eine überschaubare Summe angesichts der Tatsache, dass es laut Forbes 83 russische Oligarchen mit einem Vermögen von mehr als einer Milliarde Dollar gibt. Trotz einiger spektakulärer Fälle wie etwa der Konfiszierung diverser Superjachten tun sich die Staaten schwer, die Vermögenswerte ausfindig zu machen.
Viele Immobilien oder Firmenanteile können die nur unzureichend ausgestatteten Behörden nur schwer zuordnen, weil sie hinter verschachtelten Konstrukten versteckt sind. Und viele Oligarchen haben ihr Vermögen rechtzeitig in Briefkastenfirmen oder bei Strohleuten versteckt. So ist ein Großteil des Geldes aus dem EU-Land Zypern, das lange als Steuerparadies von Russlands Elite galt, bereits wieder in neue Verstecke transferiert worden. Stahlmagnat Alexej Mordaschow (56) verlagerte schon am 28. Februar einen Teil seiner 1,5 Milliarden Dollar schweren Beteiligung am Reiseveranstalter Tui von einer zypriotischen Gesellschaft auf eine Gesellschaft auf den britischen Jungferninseln. Andere wie Victor Rashnikov (73) transferierten ihr Geld zurück in ihr Heimatland.
Technologie-Exportverbote
Eigentlich soll Russland auch keinen Zugang mehr zu westlichen Hochtechnologie-Produkten erhalten. Doch auch diese Sanktion konnte der Kreml bislang in einigen Bereichen umgehen – unter kräftiger Mithilfe befreundeter Staaten. Zahlreiche Güter – von Spitzentechnologie wie Quantencomputern oder leistungsfähigen Halbleitern über Drohnen bis zu Technologie für die Energiewirtschaft und Maschinen – dürfen den EU-Sanktionen zufolge nicht mehr aus der EU nach Russland exportiert werden. So mangelt es in der russischen Wirtschaft inzwischen an Hightech-Produkten. Doch Daten zu Handelsströmen lassen vermuten, dass Unternehmen in der Türkei, China, Kasachstan, Belarus und Kirgisistan einspringen und die westlichen Produkte über einen Umweg liefern. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr stiegen Smartphone-Importe in Armenien sprunghaft an – und gleichzeitig nahmen in Armenien die Smartphone-Exporte nach Russland rapide zu. Ähnliche Phänomene zeigten sich auch bei Waschmaschinen, Computerchips und anderen Produkten in einer Handvoll asiatischer Länder.
Insbesondere bei Technologien in Rüstungsgütern zeigten sich Schlupflöcher. Russische Staatsangehörige mit Wohnsitz in den USA oder Europa sollen Berichten zufolge Scheinfirmen aufgebaut haben und darüber die Elektronikkomponenten bei westlichen Herstellern bestellt haben. Mit gefälschten Dokumenten sollen diese unter anderem über China, Südkorea und Hongkong nach Russland kommen. Elektronische Bauteile im Wert von mindestens 2,6 Milliarden US-Dollar gelangten laut Reuters in den ersten sieben Monaten des Krieges ins Land, mindestens 777 Millionen US-Dollar gehen auf Komponenten westlicher Firmen zurück.