Premier Viktor Orbán zusammen mit Verteidigungsministerin und CDU-­Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am vergangenen Donnerstag in Budapest: Bis auf dieses Foto drang von diesem Treffen nichts an die Öffentlichkeit. (Foto: Pressestelle des Ministerpräsidenten/ Vivien Cher Benko)

Nachgefragt

Deutsches Verteidigungsministerium kritisiert Orbán

Das überraschende Treffen der deutschen Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer mit Ungarns Premier Viktor Orbán war uns Anlass, bei verschiedenen Stellen in Deutschland nachzufragen. Die Auskünfte dazu sind spärlich, dafür gibt es überraschende Kritik aus Berlin am Krisenmanagement Orbáns. Was steckt dahinter?

„Herausforderungen im Umgang mit Ungarn sind eher gesellschaftspolitischer Art. So hat Regierungschef Viktor Orbán die Coronakrise genutzt, um mehr Macht auf sein Amt zu vereinen“, heißt es wörtlich in einem Artikel, der am Montag auf der Webseite des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg.de) erschienen ist. Die amtliche Veröffentlichung widmet sich im wesentlichen rein sicherheits- und verteidigungspolitischen Aspekten im Verhältnis zu den von der Ministerin vergangene Woche besuchten Ländern Polen, Bulgarien, Slowakei und Tschechien. Nur bei Ungarn schien es noch gesellschaftspolitische Gesprächsthemen zu geben.

Worüber wurde gesprochen?

Bereits vor Veröffentlichung durch das Ministerium hatte die Budapester Zeitung Fragen an verschiedene Stellen in Deutschland gestellt: Was Inhalt des Gespräches mit Orbán war und wen die Ministerin auf ihrer Reise noch getroffen habe? Infrage käme etwa der ehemalige polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der innerhalb der EVP als erbitterter Gegner des Fidesz auftritt. Darauf, dass es bei der Reise um die künftige Zusammenarbeit innerhalb der europäischen Parteienfamilie gegangen sein dürfte, deutet jedenfalls das kurze Statement hin, dass Kramp-Karrenbauer nach ihrem Gespräch mit Orbán abgegeben hatte: „Ich habe mit dem ungarischen Ministerpräsidenten ein sehr offenes und ein sehr klares Gespräch geführt, und alle damit verbundenen Fragen werden im September und an dem Ort entschieden, wo es hingehört, nämlich im Rahmen der EVP.“

Dass ihr Ministerium nun mit einer kritischen Äußerung über Orbán vorprescht, wo sich Bundesregierung und andere Verantwortungsträger in Deutschland mit derartig direkten Äußerungen bislang deutlich zurückgehalten haben, verwundert sehr. Nachfragen unserer Zeitung wollten bisher weder das Bundeskanzleramt noch das Auswärtige Amt oder die CDU-Zentrale beantworten. Inwieweit das BMVg seine Äußerungen mit beiden Stellen abgestimmt hat, ist daher offen.

Kanzleramt und Auswärtiges Amt weisen lediglich darauf hin, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien in deren eigener Regie erfolge. Das soll wohl heißen, dass man im Haus von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) mit der Orbán-Schelte aus dem Verteidigungsressort nichts zu tun haben will. Im Übrigen sei die Haltung der Bundesregierung zu Fragen der Rechtsstaatlichkeit bekannt, teilten uns beide Stellen mit – ohne dass sie danach gefragt worden waren.

Unzulässige Äußerungen

Mit einer solchen Äußerung über ein ausländisches Regierungsoberhaupt vorzupreschen, dürfte dem Ministerium von Kramp-Karrenbauer allerdings internen Ärger bescheren. Schließlich ist ihr Ministerium weder für die Außenpolitik noch für „Herausforderungen gesellschaftspolitischer Art“ im Verhältnis zu anderen Staaten zuständig. Derartiges dürfte zwar zu den Aufgaben von Kramp-Karrenbauer innerhalb der EVP gehören, die derzeit über ihre zukünftige Ausrichtung und das seit langem belastete interne Verhältnis zum Fidesz diskutiert – aber eben nicht als Verteidigungsministerin. Und damit dürften solche Äußerungen auf der offiziellen Ministeriumsseite wohl kaum zulässig sein.

Das BMVg ist nun in der Klemme: Nimmt es den Beitrag wieder von seiner Webseite, würde die Bundesregierung damit indirekt eingestehen, dass an dieser in verschiedenen Medien geäußerten Kritik an Orbán eben nicht viel dran ist. Lässt es den Beitrag so stehen, setzt es sich der Kritik aus, dass es spätestens seit der Beendigung des Notstandes durch das Parlament Anfang Juni an Fakten mangelt, die eine solche Kritik noch rechtfertigen könnten.

Anfragen dazu, welche Erkenntnisse die Bundesregierung dazu hat, dass die Machtbefugnisse des ungarischen Premierministers im Zuge der Krise erweitert worden seien, hat sie jedenfalls bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.

3 Antworten auf “Deutsches Verteidigungsministerium kritisiert Orbán

  1. Die noch CDU Vorsitzende marschierte als Verteidigungsministerin in rotem Hosenkostüm und Sandalen ohne Strümpfen vor den Salutierenden Einheiten. Sie sah eigenartig aus. Jetzt wird wohl aus allen möglichen und unmöglichen Kanonen auf Ungarn und Polen geschossen. Wenn ein linksliberaler Vorstandsvorsitzende (Index) einen linksliberalen Chefredakteur kündigt. Der wiederum den Inhaber erpresst- wenn man ihn kündigt, kündigen alle anderen aus dem Redaktion auch – wird diese inner-linksliberale Streitigkeit als Einschränkung der Medien und Freiheit in den Westen transportiert. Wie viel Redakteure wurden schon in Zeitungen überall gefeuert? Was die Verteidigungsministerin in Sandalen sagt, ist in Ungarn wenig relevant.

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  2. Trau schau wem….
    Nach meiner Beobachtung ernennt die deut. Bk-in Angela Merkel (AM),
    ihre Minister nach dem “Wohlverhalten-Prinzip”.
    Das heißt:
    AM läßt meist nur ihre größten “Fans” zum Zuge kommen!
    Man lasse bloß einige davon
    (z.B. von der Leyen, Heiko Maas, Spahn und – schließlich und endlich – AKK)
    “Revue” passieren.
    So betrachtet hat die liebe gute AKK – wenn wunderts! – lediglich AM’s Meinung
    zum Ausdruck gebracht.

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  3. Fidesz von heute entspricht in vielerlei Hinsicht der CDU/CSU von damals – also bevor Merkel aus den Unionsparteien eine zweite SPD formte, jedoch ohne den Kern einer echten sozialdemokratischen Partei, der ja in der Parteinahme für die arbeitende, ärmere Bevölkerung liegt. Umso schlimmer muss die jetzige CDU/CSU-Führung den Fidesz als Zumutung empfinden.

    Die deutsche Arroganz ist angeboren? Was die Frau im Hosenanzug und krampfigen Namen dazu zu sagen hat, ist schon in Kürze unerheblich. Nur die Ursula aus Brüssel und der bayerische Lederhosenverein sind noch unglaubwürdiger. Orbán hat Zeit gewonnen im Richtungskampf innerhalb der EVP. Die kommenden Ereignisse wie steigende Arbeitslosenzahlen und soziale Unruhen in Europa könnten seine Politik bestätigen und seine Position sogar stärken. Wat mut dat mut.

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15. Januar 2025 11:40 Uhr