EGMR
Der Fidesz und der Rechtsstaat
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Bernadett Szél und Ákos Hadházy hatten im Mai 2017 – damals noch als Abgeordnete der grünen LMP – in einer Fragestunde des ungarischen Parlaments zum Thema des Projekts AKW Paks II. mit dem Präsentieren nicht angemeldeter Transparente gegen die Hausordnung verstoßen. Diese sollten Netzwerke regierungsnaher Oligarchen aufzeigen, die mit dem Großprojekt an Milliardenaufträge gelangten. Die Oppositionspolitiker weigerten sich auch nach Aufforderung durch den Sitzungsleiter, die Transparente zu entfernen.
Niederlage für lärmende Opposition
Im Herbst hielten sie während des Redebeitrags eines Regierungspolitikers hinter diesem stehend Papiere mit der Aufschrift „Lügen!“ in die TV-Kameras der Live-Übertragung von der Parlamentssitzung. Der fraktionslose Abgeordnete Szabolcs Szabó betätigte bei einer Schlussabstimmung über einen Gesetzentwurf zum Thema Hochschulwesen im April 2017 eine lärmende Handsirene, wodurch die Abstimmung minutenlang verzögert wurde.
Weil diese Meinungsäußerungen allesamt gegen die Hausordnung des Parlaments verstießen, verhängte Parlamentspräsident László Kövér gegen alle drei Oppositionspolitiker Sanktionen. Mit dem Einlegen von Rechtsmitteln vor einem zuständigen Ausschuss und dem Parlament scheiterten sie, weshalb sie in Straßburg nicht nur beanstandeten, die Sanktionen hätten ihr Recht zur freien Meinungsäußerung eingeschränkt, sondern es habe auch keine effizienten Rechtswege zur Verteidigung ihrer Position gegeben. Weil sich Szél, Hadházy und Szabó dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention beriefen, klagten sie in der Sache vor dem EGMR.
Korrekt begründet
Dieser bescheinigte nun dem vom Fidesz dominierten Parlament, rechtsstaatlich vorgegangen zu sein: Die Oppositionspolitiker konnten nicht nur den Rechtsweg beschreiten, die Entscheidungen des Parlamentspräsidenten bezüglich der Sanktionen wurden auch korrekt begründet. Der EGMR konnte keine Umstände aufdecken, mit denen man die Unparteilichkeit des Verfahrens hätte in Zweifel ziehen können. Der Eingriff in die Meinungsfreiheit beruhte auf einer gesetzlichen Grundlage und diente somit legitimen Zielen, z. B. dem Schutz der Rechte anderer Abgeordneter. Die verhängten Sanktionen waren nach Ansicht des Gerichtshofs notwendig und verhältnismäßig.