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Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky: „Dieser Kongress will Europa stärken, das sich in der NATO nicht länger allein auf die Dominanz der USA stützen kann.“ Fotos: MTI / Zoltán Balogh

Sicherheitspolitik / Budapest Security Dialogue (BSD)

„Das Wichtigste ist der Frieden!“

„Das Wichtigste ist der Frieden!“ Mit diesen Worten eröffnete Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky am Freitag den ersten Budapest Security Dialogue (BSD). Das neue, bewusst nicht als Pendant zur Münchner Sicherheitskonferenz konzipierte Format mit klarem Fokus auf Zentral- und Südosteuropa in Ungarns Hauptstadt fand ein großes Echo.

Seinen Friedensappell als Grußwort an die Teilnehmer des BSD-Kongresses ergänzte Ungarns Verteidigungsminister mit dem Bedauern, dass heute die ganze Welt, aber insbesondere Europa einem „merkwürdigen Kriegsfieber“ verfallen sei. „Alle reden vom Krieg, wo doch der Frieden unser höchstes Gut ist.“ Der BSD-Kongress lenke die Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass Europa imstande sein muss, sich selbst zu schützen. In dieser außerordentlich relevanten Frage müssten auch und gerade Mitteleuropa und der Westbalkan ihre Position artikulieren.

In diesem Sinne war auch das Ministertreffen der Zentraleuropäischen Verteidigungskooperation (CEDC) mit ihren Amtskollegen aus den sechs Balkanstaaten zu verstehen, das am Vortag ebenfalls in Budapest stattfand. „Wir müssen uns in dieser Region als eine große Familie betrachten, die imstande ist, den Frieden zu schützen“, sagte Szalay-Bobrovniczky.

Szalay-Bobrovniczky: „Wir können uns keine Schwäche erlauben“

Leider handle die Welt immer wieder von den Rivalitäten der Großmächte. Weil sich die Wirtschaftsmacht von West nach Ost verschiebe, führe das Aufstreben großer Staaten zu geopolitischen Spannungen. Diese Prozesse gehen mit der Bedrohung einher, dass sich neue Blöcke bilden. Das liege ganz sicher nicht im Interesse Ungarns, das sich aber gerne als „Motor“ eines Sicherheits-Dialogs verstehen möchte.

Im Ukraine-Krieg habe der Westen einen kritischen Punkt erreicht, indem man entschied, den Konflikt zu globalisieren. Zur gleichen Zeit habe der russische Aggressor seine Militärmaschinerie in einem Maße aufgepumpt, dass heute nicht zu erkennen sei, wer diese Macht noch stoppen kann. Der offen ausgetragene Konflikt halte in jedem Augenblick ein Eskalationsrisiko bereit. Der Verteidigungsminister wiederholte bei dieser Gelegenheit den bekannten Standpunkt der ungarischen Regierung, wonach es keine Alternative zu einem unverzüglichen Waffenstillstand mit anschließenden Friedensverhandlungen gebe. Derweil müssten im Nahostkonflikt alle Schritte mit Bedacht und Verantwortungsbewusstsein gewählt werden.

Szalay-Bobrovniczky hob hervor, dass sich Ungarn keine Schwäche erlauben könne, auch und gerade als Mitglied der NATO nicht. Deshalb habe das Land seit 2010 systematisch die veralteten Strukturen seiner von der Sowjetzeit geprägten Armee aufgebrochen und eine High-Tech-Truppe mit NATO-Kompatibilität entwickelt.

EU blieb bei Kroatien stehen

Die Neuausrüstung der Ungarischen Armee (MH) stützt sich zunehmend auf eine eigene Rüstungsindustrie, betonte der CEO der staatlichen N7 Holding Zrt., László Palkovics. Sein Unternehmen bündele die Innovationen im Verteidigungssektor, den Ungarn zugleich als Motor der Wirtschaft verstanden wissen will. Die entsprechenden Kapazitäten sollen die Voraussetzungen schaffen, um die nationale Sicherheit zu garantieren. Darüber hinaus will das Land Präsenz am internationalen Markt erlangen und sich in die Lieferketten integrieren.

N7-CEO László Palkovics: „Der Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie soll dazu beitragen, die nationale Sicherheit zu garantieren.“

Der slowakische Verteidigungsminister Robert Kalinák warnte, die EU-Integration des Westbalkan komme nicht schnell genug voran. Es sei bekannt, dass sich die CEDC im Interesse von Frieden und Stabilität in der Region für diese Integration stark mache, doch habe die EU ihre 2003 gemachten Zusagen einzig in Bezug auf Kroatien umgesetzt. Als Schlüssel einer heute geradezu optimalen Zusammenarbeit der Nachbarn Slowakei und Ungarn benannte er den Ansatz, sich allein auf Themen zu konzentrieren, in denen Übereinstimmung herrsche.

Erfolgreiche Auftaktveranstaltung

Obwohl es sich um die erste Veranstaltung ihrer Art handelt, wurde der BSD sogleich ein beachtlicher Publikumszuspruch zuteil. Bereits beim Empfang „Hungarian Defence Innovation Night“ in der Königlichen Reithalle auf der Budaer Burg am Donnerstagabend konnte der BSD mehr als 300 Gäste zum Netzwerken und Kennenlernen begrüßen. Für den Kongress am Freitag wurden rund 400 Teilnehmer erwartet, schließlich folgten aber mehr als 700 (!) der Einladung. Auf der Liste der Referenten fanden sich fünf Verteidigungsminister, mehrere Staatssekretäre, fünf hochrangige Vertreter der EU-Kommission sowie 18 Repräsentanten namhafter internationaler und deutscher Rüstungsfirmen. Eine dermaßen hochkarätige Veranstaltung zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat es in Budapest schon lange nicht mehr gegeben.

BSD-Kongressmotto: „Budapest Building Bridges“

„Offensichtlich haben wir mit unserer Veranstaltung einen ganz real vorhandenen Bedarf nach Austausch und Vernetzung in der Region abgedeckt“, resümierte Wolf Illner, Geschäftsführer des Veranstalters BSD, zufrieden. Besonders erfreuen konnten ihn und seinen Co-Geschäftsführer Dr. Arne Gobert, dass alle hochrangigen Referenten immer wieder die Möglichkeit zu Gesprächen am Rande des Kongresses begrüßten.

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BSD-Cheforganisator Wolf Illner: „Offensichtlich haben wir einen ganz real vorhandenen Bedarf nach Austausch und Vernetzung in der Region abgedeckt.“

„Wir sind uns sicher, dass wir mit dem Budapest Security Dialogue erfolgreich dazu beigetragen haben, Ungarns Ansehen in Europa zu erhöhen, bestehende Vorurteile abzubauen und eine Plattform zur Kommunikation geschaffen zu haben. Dafür stand auch das Motto des Kongresses: Budapest Building Bridges.“

BSD-Partnerland 2025: Bosnien und Herzegowina

Nachdem sich die Frage der Existenzberechtigung nach dieser erfolgreichen Pilotveranstaltung quasi von selbst beantwortet hat, gehen die Veranstalter umso entschlossener an die Planung des kommenden Kongresses. Dieser findet am 9./10. April 2025 wieder in Budapest statt. Als Partnerland 2025 konnte Bosnien und Herzegowina, nach Gesprächen mit Verteidigungsminister Zukan Helez gewonnen werden. Die Vorbereitung des nächsten BSD-Kongresses wird in den kommenden Monaten aber nicht die einzige große Aufgabe des BSD-Teams sein.

Im Rahmen der ungarischen Ratspräsidentschaft wird am 9./10. Oktober in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission erstmalig die European Defence Drone Conference (EDDC) in Budapest stattfinden und dort mit jährlichem Charakter etabliert. Im Gespräch ist außerdem eine Veranstaltung „BSD on Tour“ in Sarajewo im Rahmen der Partnerschaft Budapest Security Dialogue 2025.

Hier geht es zu einem BZ-Interview mit Wolf Illner, das wir im Vorfeld der Veranstaltung mit ihm führten.

Und hier finden Sie die Internetseite des Veranstalters.

5 Antworten auf “„Das Wichtigste ist der Frieden!“

  1. Zitat aus dem Artikel: “Zur gleichen Zeit habe der russische Aggressor seine Militärmaschinerie in einem Maße aufgepumpt, dass heute nicht zu erkennen sei, wer diese Macht noch stoppen kann.”

    Wie kann ein Mensch, der angeblich für den Frieden werben will, so dreckige Lügen verbreiten. Das könnte genau so gut direkt aus dem Pentagon oder der CIA-Zentrale in Langley kommen.

    Wir wissen doch alle ganz genau, wie lange sich Russland, nachdem die NATO sich nach Osten ausgedehnt und die Ukraine faktisch zum hochgerüsteten Nato-Land gemacht hatte, geradezu um Sicherheitsgarantien gebettelt hatte, die alle kaltlächelnd vom Westen abgelehnt wurden.

    Russland hat inzwischen realisiert, dass sie vom Westen angegriffen wurden und sich faktisch mit der NATO im Krieg befindet.
    Es gäbe jetzt immer noch die Möglichkeit zurückzurudern. Russland will das und hofft darauf. Aber der US geführte Westen lehnt das ab.

    Wie kann man da von einem “russischen Aggressor” reden? Das ist Kriegsrhetorik!

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    1. Alles richtig; und Ungarn steht leider als NATO-Mitglied mit ausländischen Truppen selber unter dem Druck des US-Imperialismus. Würde die BSD es hier heute so deutlich ausdrücken wie Sie und ich, würde es wohl für Ungarn wie 1956 ausgehen, mit Aggressor USA statt Sowjetunion.

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      1. Ich finde es hätte schon ausgereicht, einfach auf den “russischen Aggressor” zu verzichten und statt dessen “Russland” zu sagen. Also z.B.: “Zur gleichen Zeit habe Russland seine Militärmaschinerie in einem Maße aufgepumpt, dass heute nicht zu erkennen sei, wer diese Macht noch stoppen kann.”

        Dagegen hätte niemand etwas sagen können. Russland als Aggressor zu beschimpfen ist in der Tat nichts weiter als die klassische Täter-Opfer-Umkehr und erinnert mich an die Aussage, “dass Ungarn fest an der Seite Israels stehe”. Das ist schon eine üble aAngelegenheit, sich auf die Weise als “Kumpel” von Kriegsverbrechern zu gerieren. Auch hier hätte es gereicht, einfach auf diese Aussage zu verzichten und besser gar nichts zu sagen. Dieser Spielraum ist in der Diplomatie eigentlich immer gegeben. Warum nutzt man ihn dann nicht?

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      2. Das eigentliche Problem ist doch folgendes: Wenn es die Guten sind, wobei gut im Sinne des Wortes gemeint ist, die diese Täter-Opfer-Umkehr anwenden, dann bewirkt das u.U., dass auch aufgeklärte und ehrlich an Wahrheit interessierte Menschen Russland am Ende für den Aggressor halten und so auch die dem Narrativ des Westens zum Opfer fallen.

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5. September 2024 12:05 Uhr